Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
wurde ich hellhörig.
Für Dusty war es wie ein Videospiel, bei dem es darum ging, schneller als der Gegner zu sein, seine Fallen zu umgehen und die eigenen so geschickt zu platzieren, dass der andere hineintappte. Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln. Das war mir alles zu hoch, während es Armand ein Grinsen entlockte. Mein Liebster nickte mir aufmunternd zu. Scheinbar war der Junge eine echte Hilfe.
Plötzlich schrie Dusty auf.
„Hey, das kenn ich. Das sind Biffs Befehle.“
Allgemeines Unverständnis, doch Dusty war ganz aufgeregt.
„Mein Kumpel, den die sich gekrallt haben. Er hat mir das doch alles beigebracht. Ich weiß, wie er arbeitet, welche Codes und Kürzel er benutzt. Das ist seine Handschrift.“
Während alle anderen den Jungen immer noch verständnislos anstarrten, begriff ich, was das für uns bedeuten konnte.
„Du meinst, du kennst dich damit aus? Du kannst ihn stoppen?“
Er nickte eifrig.
„Hier siehst du?“ Er deutete auf eine Kombination von Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen. Ich wusste nicht, was man da sehen sollte. Ich jedenfalls sah gar nichts.
„Das ist typisch für Biff. Er schleust immer erst diesen Code ein. Der wird so gut wie nie erkannt. Das macht er bei den Haupt-Parametern. Dann kennt das System die und akzeptiert sie als festen Bestandteil. Erst danach setzt er zwischen die Klammern den eigentlichen Gegenbefehl.“
Oder Trojaner, ergänzte ich gedanklich.
„Auch das Datum trägt Biffs Handschrift. Er arbeitet sich langsam vor. Macht sonst kaum einer. Die wollen immer alle zu schnell zu viel.“
Das traf auf Domeniko mit Sicherheit zu. Biff konnte von Glück reden, dass er noch lebte, wenn er nicht schnell genug arbeitete. Aber er lebte definitiv, weil gerade neue Befehle reinkamen.
„Warte, ich probier was.“
Dusty schnappte sich die Tastatur und Pettra ließ ihn gewähren. Mir wurde schwindlig bei dem Tempo, mit dem seine Finger über die Buchstaben huschten. Seine Augen bewegten sich so schnell, wie man es sonst nur beim „rapid eye“- Phänomen einer Traumschlafphase kennt. Er wählte einige Zeilen aus und gab ein Wirrwarr von Zeichen ein, deren Wirkung sich mir nicht erschloss. Damit war ich nicht allein. Sogar unserem Computer-Trio standen Fragezeichen auf der Stirn.
„Da! Da!“, rief Dusty und freute sich wie ein König. „Biff hat mich erkannt. Ich wusste es!“
Wollte er damit etwa sagen, er kommunizierte mit Domenikos Hacker?
Wenig später bestand kein Zweifel mehr. Die beiden tauschten sich miteinander aus. Biff hielt sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten und virtuellen Jubelrufen auf. Er informierte uns über eine ganze Anzahl von Ziel-Systemen und was er dort installieren sollte. Außerdem erfuhren wir, dass sie erst vor zwei Tagen an einen anderen Ort gebracht worden waren und seitdem wussten, dass sie nur noch zu dritt waren. Alle anderen Hacker waren tot.
Gemessen an der Anzahl der Tore, die Nasri erzeugt hatte, lag die Sterberate unter entführten Computerfreaks damit bei über neunzig Prozent.
„Justin?“
Wir drehten uns um und erblickten Sally neben Ben in der Tür stehen. Nachdem sie heute Morgen kurz das Bewusstsein erlangt hatte, war sie nach einer abschließenden Untersuchung durch Thomas wieder vollkommen fit, von einem noch immer grüngelb untermalten Flecken im Gesicht abgesehen.
Ich wusste nicht, was Ben ihr bereits gesagt hatte. Im Augenblick waren zum Glück auch nur PSI-Wesen anwesend, die zumindest auf den ersten Blick menschlich aussahen und ihr nicht gleich wieder einen Schock verpassten. Aber sie starrte ohnehin lediglich unseren Punk entgeistert an.
Dusty verharrte mitten in seiner Arbeit, erwiderte ihren Blick mit offenem Mund, blinzelte ein paar Mal und stand langsam auf. Sein Grinsen fiel schief aus, während er mit dem Fuß über den Boden kratzte und leise „Hi!“ murmelte.
„Ihr kennt euch?“, fragte ich.
„Das ist Justin! Mein Bruder!“
„Das ist dein Bruder?“ Ben war nicht minder überrascht als ich.
Sally und Dusty fielen sich in die Arme, Sally brach in Tränen aus.
„Ich dachte, dir wäre was zugestoßen. Warum hast du dich nicht gemeldet?“, fragte Sally.
Und Dusty wollte wissen, wie sie zu dem geschwollenen Kiefer gekommen war.
Wir gönnten den beiden einen Moment der Wiedersehensfreude. Nachdem sich die Gemüter allmählich beruhigten, erklärte uns Sally, unterbrochen von ein paar letzten Schluchzern, was sie zuvor Ben in Ansätzen berichtet hatte. Von ihrem
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