Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
kam? Wie ein normaler Krieg? Ein trockenes Lachen bildete sich in seiner Kehle. Was war an Krieg schon normal?
Die Vorstellung, töten zu müssen, jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Schwer vorstellbar, mit seinen Händen, die eigentlich Leben retteten, plötzlich welches zu beenden. Steven erriet seine Gedanken und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Wenn es dazu kommt, wirst du dich wundern, wozu du fähig bist. Aber vielleicht …“
Ja, vielleicht. So richtig glauben wollte jedoch wohl niemand daran, dass man Domeniko noch aufhalten konnte, ehe es zu einem Kriegsszenario kam.
Die Tatsache, dass Blue zuerst mit Armand gesprochen hatte, überging ich. Gekränkt zu sein hätte uns nicht weitergeholfen. Wir mussten handeln.
Pettra hatte bereits gesagt, dass sie mit ihrem alten Zugang vielleicht auch in Domenikos System gelangen konnten, da sie seine Verbindung zum US-System enttarnt und den Pfad gespeichert hatten. Solange er nicht merkte, dass wir dieses Hintertürchen besaßen, war es eine gute Option. Nachdem mit dem Besuch einer Lupin bei Steven und Thomas noch mehr dafür sprach, dass das Weiße Haus nur die Spitze des Eisberges war, mussten wir es versuchen. Blue nahm es als Einziger leicht beleidigt auf, dass seine Informationen nicht so exklusiv waren, wie er gehofft hatte. Trotzdem half uns seine Entdeckung, weil unsere Freunde – Alwynn, Rugo und ein paar andere aus dem ehemaligen PU – einige Spuren sicherstellen konnten, die unseren Hackern ihre Arbeit erleichterten. Wir konnten an mehreren Stellen ansetzen und mussten uns nicht mühsam an Pettras Sicherheitsprogramm weiterhangeln.
Es war so unglaublich wie logisch. Nirgends war die Welt verwundbarer. Nahezu alles wurde heutzutage elektronisch und über Netzwerke gesteuert. Wem es gelang, diese Systeme gebündelt lahmzulegen, beförderte die Menschheit mit einem Schlag etliche Hundert Jahre in die Vergangenheit.
Franklin plädierte dafür, die Behörden zu informieren. Ich war dagegen, weil ich mir denken konnte, wie sie darauf reagierten. Schlange hin, Wolf her, Menschen glauben nur, was sie glauben wollen.
Ich behielt recht. Man war so damit beschäftigt, logische Erklärungen zu finden, dass man für augenscheinlich unlogische keine Zeit fand. Die größten Sorgen beschränkten sich darauf, dass die Schlange die Fischgründe leer fraß und damit das Einkommen vieler Fischer und Walfänger gefährdete. Auf den Riesenwolf hatte man Großwildjäger angesetzt, die sich bereits freuten, eine außergewöhnliche Trophäe an die Wand ihres Jagdzimmers hängen zu können. Ich wusste nicht, welches Risiko größer war: dass sie sich gegenseitig abschossen oder in Fenris’ Bauch landeten. Die Regierungen überließen die Problematik mit den beiden ungewöhnlichen Tieren denjenigen, die ganz heiß auf ihre Jagd waren – selbst unter Gefährdung des eigenen Lebens. Für so was hatten die verbliebenen Minister und Abgeordneten keine Zeit. Es galt vorrangig, in allen Ländern wieder ein funktionierendes Politsystem auf die Beine zu stellen, um überhaupt irgendwelche Entscheidungen treffen zu können. Die Welt war buchstäblich kopflos und ich wurde den Verdacht nicht los, dass es Domenikos Plan entsprach. Fenris hatte genau das getan, was er tun sollte. Dafür sorgen, dass niemand mehr regierte. Ein Stall voller Hühner, die wild durcheinanderliefen, ohne Sinn und Verstand.
Ich stöhnte innerlich. Sinnlos, darüber zu lamentieren. Wir waren die Einzigen, die eingreifen konnten, also mussten wir das auch tun.
Pettra und Slade versuchten gemeinsam mit Armand unbemerkt die verzweigten Wege zu ergründen, die die feindliche Software nahm und Fallen aufzustellen, um sie im richtigen Moment lahmzulegen. Das hatte schon einmal funktioniert. Mit dem Magister. Vielleicht gelang uns das wieder.
„Meint ihr, eure Freundin wird uns helfen, wenn der Worst Case eintritt?“, fragte ich Steven.
Er zuckte die Schultern. „Aliya hat Angst. Ich will nicht wissen, was sie durchlitten hat, bis sie und die anderen sich unterworfen haben. Auf der anderen Seite hat sie viel riskiert, um uns zu warnen.“
Der junge Computerpunk, der zu Blue aufsah wie zu einem strahlenden Ritter, gesellte sich zu unserem Hacker-Trio und blickte ihnen interessiert über die Schulter. Ich beäugte ihn argwöhnisch, auch wenn Blue sich für ihn verbürgte. Doch als er anfing, Pettra immer wieder auf Dinge hinzuweisen und ich mitbekam, dass sie ihm mehrmals zustimmte,
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