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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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gemietet, auf der eine Plattform, Mikrofone und Lautsprecher angebracht sind. Gemeinsam mit ein paar Journalisten beginne ich Fotos zu machen.
    Zum ersten Mal in meinem Leben nehme ich an einer Demonstration teil. Als ich die vertrauten Gesichter der Papua betrachte, die sich hinter dem Wagen in Positur stellen, würde ich am liebsten zu ihnen hinüberrennen und ihnen meine Solidarität zeigen. Doch ich weiß, dass das momentan alles andere als klug wäre. Schließlich wollen wir in den kommenden Tagen nach West-Papua einreisen, und ich darf auf keinen Fall vorher ins Fahndungsraster der Behörden geraten.
    Ein junger Mann erklimmt den Wagen, stellt sich auf die Ladefläche und greift nach einem Mikrofon. Er beginnt die Menge anzustacheln und erläutert das Vorhaben für die nächsten Stunden. Allerdings betont er mit Nachdruck, dass es sich um eine friedliche Aktion handele und dass keinerlei Ausbrüche toleriert würden.
    Der Demonstrationszug setzt sich mit Fahnenschwenken und Liedern in Bewegung. Da fällt mein Blick auf einen Polizisten, der in sein Funkgerät spricht. Als die Demonstranten eine Kreuzung erreichen, werden sie dort von etwa zweihundert Polizisten erwartet.
    Ich mache mir Sorgen, weil ich nicht weiß, was sie vorhaben. Zunächst kesseln sie die Studenten ein und halten sie davon ab, weiterzugehen. Dann drängen sie den Zug in eine Seitenstraße ab, und plötzlich ist alles voller Polizisten. Die Demonstranten bleiben stehen, setzen sich hin, und einer der Studentenführer klettert auf den Wagen und beginnt zu reden. Er heizt die Menge regelrecht auf, die daraufhin anfängt zu singen. Die Leute aus Papua singen für ihr Leben gern, das habe ich schon in meinen ersten Jahren dort gelernt. Ich sehe, wie der Lärm immer mehr Journalisten anzieht, die Fotos machen und Interviews führen. Ich halte mich im Hintergrund und warte ab.
    Es ist Mittag, und die Sonne brennt mit voller Kraft vom Himmel. Von der Hitze wird mir langsam schwindlig, und ich kaufe mir an einer kleinen Bude Wasser. Nach etwa einer Stunde beschließe ich zu gehen, denn wegen meiner Größe und der weißen Hautfarbe errege ich leider doch zu viel Aufmerksamkeit. Mehrere Polizisten haben mich bemerkt und pfeifen, lachen und winken, um mich zu sich hinüberzulocken. Ich lächle höflich zurück, gehe aber unbeirrt weiter.
    Aus sicherer Entfernung rufe ich Jon an und berichte ihm, dass die Polizei die Demonstranten umstellt habe. Er sagt, ich solle warten, also suche ich mir einen etwas abgelegenen Ort. Auch dort fühle ich mich unwohl, heiß und verschwitzt, wie ich bin, und insgeheim sehne ich mich nach dem kühlen, klimatisierten Zimmer im Luxushotel zurück.
    Als ich nach etwa einer halben Stunde nachschauen gehe, ist alles unverändert. Gerade will ich nach einem Taxi Ausschau halten, um zurück in unser Gästehaus zu fahren, da wendet der Wagen plötzlich, und die Demonstranten folgen ihm auf dem Fuß. Sie gehen die Straße zurück, die sie gekommen sind, woraufhin auch die Reihen der Polizisten sich auflösen. Für den Moment haben sie ihre Arbeit getan.
    Später habe ich erfahren, dass die Straße, die gesperrt wurde, zum Parlament und anderen Regierungsgebäuden führt. Es gab wohl die strikte Anweisung, dass die Menschenmenge unter allen Umständen daran gehindert werden sollte, diesen Weg einzuschlagen.
    Es tut mir gut, wieder in Bewegung zu sein. Ich folge den wehenden Flaggen und Rufen die Hauptstraße hinunter, die am UN -Hauptquartier vorbei ins Stadtzentrum von Jakarta führt. Die Luft lädt sich mit elektrischer Spannung auf, je näher wir der Innenstadt kommen.
    Als ich mich umsehe, bemerke ich, dass keine Polizisten mehr um uns herum sind. Tausende Menschen sind auf der Straße, der Verkehr ist zum Erliegen gekommen, Straßenschilder werden verbogen, Bäume und Pflanzen, die den Straßenrand schmückten, sind zerstört oder liegen mitten auf dem Weg, überall Müll, das totale Chaos.
    Ich fühle mich so lebendig in jenem Moment, jede einzelne Zelle meines Körpers ist hellwach, und Adrenalin pulst durch mich hindurch. Alle singen, rufen, lachen, und am lautesten von allen skandiert jene kleine Gruppe papuanischer Studenten mit ihren strahlend bunten Fahnen: »Macht Freeport zu! Macht Freeport zu!«
    Als ich das höre, frage ich mich, ob es jetzt zu Zusammenstößen mit den anderen Demonstranten kommen wird. Aber dann geschieht etwas, das ich niemals erwartet hätte: Die anderen johlen und klatschen zustimmend. Manchmal

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