Ruf Des Dschungels

nickt heftig. »Ich bin so froh, dass wir uns hier getroffen haben, dass du dabei bist bei unserem Kampf.« Sie macht eine kurze Pause. »Der inzwischen ja auch zu deinem Kampf geworden ist«, fügt sie dann hinzu.
    Ja, sie hat Recht,
denke ich.
Das hier wird tatsächlich auch zu meinem Kampf.
Ich lasse den Blick durch den Raum schweifen, betrachte die Mienen der etwa dreißig Studenten und lese darin Hoffnung, Verzweiflung, Entschlossenheit und Trauer.
    Ein Streit entbrennt. Jon steht auf und bittet mich, mit ihm nach draußen zu kommen. Im Flur gesteht er mir, das Ganze sei deutlich schwieriger, als er erwartet habe. Nicht wenige haben die Hoffnung auf eine friedliche Lösung längst aufgegeben, und es besteht die Gefahr, dass die Bewegung sich in eine Richtung entwickelt, die viele Menschenleben kosten kann. Die Studenten stehen mit dem Rücken zur Wand, allmählich macht sich unter ihnen Verzweiflung breit. Dreizehn von ihnen wurden bereits inhaftiert, weil sie im Bürogebäude von Freeport in Jakarta Fenster eingeschlagen hatten. Und viele sitzen unschuldig in Gefängnissen in West-Papua, nur weil sie an Demonstrationen teilgenommen haben oder weil ihnen als papuanischen Studenten vorgeworfen wird, der Freiheitsbewegung anzugehören.
    Jon will diese Entwicklung stoppen, bevor die Dinge weiter eskalieren, er muss einen Weg finden, ihnen klar zu machen, dass Gewalt nicht die Antwort sein kann.
    »Aber wie soll ich das jemandem vermitteln, der ansehen musste, wie Familienmitglieder oder Freunde unterdrückt und getötet wurden?«, fragt er ratlos.
    »Mach ihnen Mut«, antworte ich, »und lass sie wissen, dass sie nicht alleine sind, dass es viele gibt, die ihren Kampf unterstützen. Sag ihnen, dass sie sich zusammentun und ihre Stimme gemeinsam erheben müssen, als eine Nation. Schließlich entsteht wahre Stärke erst durch Solidarität, und nicht durch Einzelaktionen. Und Gewalt wird immer nur neue Gewalt erzeugen.«
    Jon entfernt sich ein paar Schritte, um seine Gedanken zu ordnen. Dann gehen wir gemeinsam zurück in den Raum, und ich merke, dass sich etwas an ihm verändert hat. Als er diesmal zu den Anwesenden spricht, liegt eine unglaubliche Kraft und Entschlossenheit in seiner Stimme. Die Stimmung unter den Studenten verändert sich ebenfalls. Jon steht jetzt vor ihnen, findet starke Worte, und seine Stimme wird eindringlich, als er sie auffordert, sich zusammenzuschließen. Er gibt ihnen die Hoffnung zurück, die sie schon verloren hatten. Erregung macht sich breit, und bald springen alle auf und klatschen begeistert.
    Ein paar Tage später bekommen wir einen Anruf von einem der Studenten. Die Polizei hat zurückgeschlagen, hat Vergeltung für die Demonstrationen geübt. Studentenheime und Schlafsäle wurden durchsucht, zum Teil zerstört und angezündet, die Studenten sind alle auf der Flucht. Doch sie werden nicht aufgeben, werden weiter für Gerechtigkeit und Freiheit kämpfen, für ihre Heimat und eine bessere Zukunft.
     
    Als ich einige Wochen später zurück in Deutschland bin, höre ich von Jon, dass die Situation sich dramatisch verschlechtert hat. Frustriert darüber, dass die Studenten fliehen konnten, unter ihnen auch die Studentenführer, die auf der roten Liste standen, hat die Polizei ihre Taktik geändert: Anstatt die Studenten zu fangen und zu verhaften, gilt jetzt die Order »shoot at sight« – also sofort erschießen. Eine schwere Zeit hat begonnen. Schon bald treffen die ersten Nachrichten über ermordete Studenten ein. Ich bin zutiefst schockiert.
    Die überlebenden Studenten sind bis heute auf der Flucht.

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14 Zwischen Alt und Neu
    D raußen war es dunkel, das Licht der Kerosinlampe warf tanzende Schatten auf die Holzwände, die Frösche im nahe gelegenen Busch stimmten ihr abendliches Quakkonzert an. Die Stimmen der Fayu drangen zusammen mit der Hintergrundmusik des Urwalds durch das Fenster herein. Ich saß mit Papa am Tisch in seiner Hütte und hörte gespannt der Geschichte von Babu-Bosa und der schönen Adia zu.
     
    Adia wurde schon in jungen Jahren einem Mann namens Abusai versprochen. Wie die Beziehung der beiden zueinander war, kann niemand mit Sicherheit sagen, doch eines stand fest: Adia war unglücklich.
    Nicht lange nachdem Abusai Adia zur Frau genommen hatte, verliebte sich Babu-Bosa unsterblich in das Mädchen. Eines Nachts war er so verzweifelt, dass er seinem älteren Bruder Tuare sein Herz ausschüttete. Als dieser die Klagen seines Bruders vernahm, riet er