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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Schwein, fasziniert davon, wie rasch es gestorben war. Ich erinnerte mich an ein Erlebnis aus meiner Kindheit; damals war es deutlich dramatischer zugegangen. Das Wildschwein hatte mehrere Minuten lang gequiekt, gezuckt und gegen den Tod angekämpft. Papa hatte uns Kindern danach nicht mehr erlaubt, beim Töten zuzusehen.
    Doch diesmal war es anders. Babu-Bosa erklärte mir, dies sei ein perfekter Schuss gewesen. Danach legte der zweite Mann Pfeil und Bogen an, und dieselbe Prozedur begann. Diesmal war der Schuss nicht ganz so gut platziert, und das Schwein, ohnehin das jüngere und kräftigere von beiden, strampelte und quiekte noch eine ganze Weile. Ich hielt mir die Ohren zu, damit ich diesen schrillen Todeskampf nicht mit anhören musste. Einer der jungen Männer ging schließlich zu dem Schwein hinüber, nahm einen weiteren Pfeil und bohrte ihn dem Tier tief in die offene Wunde. Wenige Sekunden später war es tot.
    Der Anblick des vielen Blutes und auch sein Geruch ließen mich schwindeln. Zum Glück musste meine Schwester Judith, eine überzeugte Vegetarierin, das hier nicht miterleben. Mit ihrer Auffassung von Tierschutz hätten die Fayu wohl überhaupt nichts anfangen können.
    Nun machten sich die Männer daran, die Schweine vorzubereiten. Dazu legten sie zunächst den Boden mit großen, breiten Kwa-Blättern aus. Papa holte mehrere Messer und Schüsseln für die Fleischstücke. Doch vorher noch wurden die beiden Wildschweine kurz ins offene Feuer gelegt, um die Borsten und die obere Hautschicht abzubrennen. Danach kamen die schwarz gebrannten Schweine auf die vorbereiteten Blätter, und die Fayu machten sich an die langwierige Aufgabe des Ausnehmens.
    Der Tag war extrem heiß, die Sonne brannte erbarmungslos auf uns herab. Ich suchte mir einen Schattenplatz, um der glühenden Hitze ein wenig zu entfliehen. Der einzige Vorteil dieser Temperaturen war normalerweise, dass weniger Insekten herumschwirrten, doch der Geruch von Blut lockte sie heute trotz der Hitze aus ihren Verstecken hervor. Nicht nur die Fliegen, auch die Dingos umkreisten die toten Schweine in der Hoffnung, dass ein Happen für sie abfiel. Einer von ihnen gierte so sehr danach, dass er das Blut von den Blättern aufleckte.
    Als der Geruch nach frischem Fleisch zu mir herüberdrang, knurrte auch mir der Magen vor Verlangen nach gebratenem Wildschwein. Doch ich musste mich noch ein wenig gedulden.
    Die Augen fielen mir zu, und ich nickte immer wieder kurz ein, während meine Gedanken nach Hause zu meinen Kindern wanderten. Um mich herum saßen mehrere Kinder der Fayu und hielten mit ihren flatternden Käfern an den Halmen die heiße Luft und die Mücken von mir fern.
    Unser Festmahl liegt auf der Veranda
    Am späten Nachmittag kam unser Fest endlich in Gang. Das Stimmengewirr schwoll immer mehr an, und alle mittlerweile eingetroffenen Fayu und Kirikiri versammelten sich, um am Festmahl teilzunehmen. Hungrig stellte ich mich in die wartende Schlange. Jemand gab mir ein ordentliches Stück Fleisch, eingewickelt in ein großes Blatt.
    Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen angesichts der Riesenportion, daher teilte ich es auf und gab den Kindern um mich herum etwas ab. Dann setzte ich mich auf meinen angestammten Platz zwischen Akaba und Fusai und verschlang das Fleisch gierig. Ich aß mit den Händen und riss mit den Zähnen einzelne Bissen heraus. Es schmeckte hervorragend, genau richtig gewürzt, nicht zu salzig und voller Saft, der mir nun die Unterarme herabrann.
    Ein Dingo kam zu mir herüber und leckte mir den Saft von der Haut. Eines der Kinder nahm einen Stock und verjagte das Tier. Ich sah zufrieden zu, wie es in der Menge verschwand – meine Großzügigkeit ging nicht so weit, dass ich meine Mahlzeit auch noch mit einem Dingo teilen wollte. Davon abgesehen, hätte er mir vielleicht in die Hand gebissen, mit der ich ihm das Fleisch hinhielt. Wie lautet das ungeschriebene Gesetz des Dschungels? Der Stärkere überlebt.
     
    Nachts im Bett gingen meine Gedanken einmal mehr auf Wanderschaft. Die ersten Nächte waren entsetzlich gewesen, voller Alpträume und Qualen, doch dann, vor etwa zwei Tagen, war etwas passiert. Ich hatte eine innere Stabilität erlangt, die ich seit Jahren nicht mehr gehabt hatte. Meine Gedanken waren deutlich klarer geworden, und allmählich gelang es mir, mein Inneres zu betrachten, ohne dabei Angst vor der Vergangenheit zu haben. In dem Bewusstsein, dass ich mich meinem inneren Selbst annäherte, begab ich mich

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