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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Frieden mit sich selbst.
     
    Die Fayu haben einen ausgeprägten Sinn für Humor. Manchmal brauchen sie allerdings ein bisschen, ehe sie merken, was an einer Situation gerade so lustig ist, wie etwa bei dem Streich, den Papa und ich ihnen tags zuvor gespielt hatten. Wir hatten einen großen Topf Nudeln und Reis für alle gekocht. Zusammen trugen wir ihn nach draußen und holten Schüsseln und Löffel, um das Essen zu verteilen. Normalerweise erhalten erst die Männer ihren Anteil, dann die Frauen und zum Schluss die Kinder. Papa setzte den Topf auf der Veranda der Schule ab und verkündete mit lauter Stimme, er würde das Essen nun an die Männer austeilen.
    »Oh nein«, rief ich daraufhin genauso laut, »ich werde es zuerst an die Frauen und
dann
an die Männer verteilen.«
    Daraufhin gerieten wir in schönster Fayu-Manier in Streit.
    »Nein«, gab Papa zurück. »Erst die Männer.«
    »Nichts da«, rief ich. »Die Frauen zuerst.«
    Papa warf mir vor, ich hätte ein hartes Herz, woraufhin ich ihn desgleichen beschuldigte, und so stritten wir immer weiter. Dabei hielten wir die ganze Zeit den Topf fest, und keiner von uns wollte ihn loslassen.
    Die armen Fayu saßen um uns herum, wussten nicht, was sie tun sollten, und sahen uns mit großen Augen beim Zanken zu. Als ich ihre erstaunten Gesichter bemerkte, brach ich in schallendes Gelächter aus. Selbst Häuptling Kologwoi, der sonst alles andere als leicht zu beeindrucken ist, wirkte von unserer kleinen Theateraufführung fasziniert.
    Schließlich konnte sich auch Papa nicht länger zurückhalten und musste loslachen. Ich nahm eine Schüssel, füllte sie mit Nudeln und Reis und gab sie dem Häuptling, der mich nur schweigend anstarrte. Er schaute auf die Schüssel, dann zu Papa hinüber, und schließlich fragte er ihn mit unsicherer Stimme, ob er seine Portion denn essen dürfe. Daraufhin musste Papa nur noch mehr lachen. Er nickte, woraufhin Häuptling Kologwoi nach der Schüssel griff und sagte: »Sabine hat ein gutes Herz.«
    Junges Fayu-Mädchen
    Wenige Stunden später, ich war gerade in Papas Haus, hörte ich Gelächter von draußen. So laut, dass ich hinausging, um nachzusehen, was los war. Einige Fayu standen mit dem leeren Topf in der Hand da und stritten – genau wie Papa und ich vorher –, während sich die Umstehenden vor Lachen bogen. Papa war auch dabei und amüsierte sich mit ihnen, nun, da sie unseren kleinen Scherz verstanden hatten und die ganze Szene nachspielten. Bis tief in die Nacht hinein wurde die Geschichte immer und immer wieder erzählt, jedes Mal mit mehr Gelächter und Zwischenrufen. Ich musste lächeln, da ich wusste, dass noch tagelang alle darüber reden würden, wie Sabine und Klausu dem ganzen Stamm einen Streich gespielt hatten, indem sie darüber stritten, ob sie das Essen nun erst an die Männer oder die Frauen verteilen sollten.
    Wenn ich aus heutiger Sicht auf unsere Zeit bei den Fayu zurückblicke, wird mir klar, wie wichtig es war, dass meine Eltern beide viel Sinn für Humor haben. Die Fayu mussten erst wieder lernen, was Humor eigentlich ist und wie schön es ist, völlig sorglos zu lachen. Denn das hatten ihnen die Kriege genommen. Wenn man zum ersten Mal einem Fayu begegnet, könnte man meinen, dass sie sehr ernste Menschen seien. Doch im Laufe der Jahre erfuhren sie wieder, wie sehr Lachen und Spaß das Leben bereichern. Auch wenn sie den Witz an einer Situation oft nicht auf Anhieb erkennen, so sind sie doch imstande, sich im Nachhinein tagelang darüber zu amüsieren.
     
    Am späten Nachmittag machten Papa und ich einen Spaziergang zum Fluss. Während wir die Dschungelbrücke überquerten, erzählte mir Papa eine Geschichte, die vor ein paar Jahren passiert war, eine Geschichte von Wagemut und einer faszinierenden Heilung:
    »Eines Nachts schliefen Kloru und Babu-Bosa in ihrer Hütte. Draußen war es stockfinster, und wegen der schweren Regenfälle war das Wasser gestiegen und bedeckte die Erde wie eine kühle, glatte Decke. Das Feuer war erloschen, nur der Mond spendete in der Dunkelheit der Nacht ein wenig Licht. Da kroch aus einem der unheimlichen Tümpel eine riesige Schlange, so lang wie drei Menschen und so dick wie der Oberschenkel eines Mannes. Sie glitt auf die Plattform des Hauses und griff Kloru an, indem sie sich um den schlafenden Mann wand. Mit einem Schrei fuhr Kloru aus dem Schlaf hoch, versuchte das Untier abzuwehren und griff nach seinem Buschmesser, das er immer neben sich hatte. Der kleine

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