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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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ich traurig, als ich die Erinnerungslieder hörte, die von ihrem Grab an der Seite des Hügels zu mir herüberdrangen. Sonderbar fand ich allerdings die Tatsache, dass allein Bebe den Tod seiner Mutter zu betrauern schien. Im Gegensatz zu Tuare und Babu-Bosa hatte er sich das Gesicht mit Lehm eingerieben. Seine Stimme war es, die ich oft in der Morgendämmerung hörte, wie er der Frau, die ihn geboren hatte, die letzte Ehre erwies. Tuare dagegen war offenbar mehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, und Babu-Bosa genoss mit seiner Frau den Alltag.
    Da ich mir das Grab gerne genauer ansehen wollte, machte ich mich später auf die Suche nach Papa, um ihn zu fragen, ob das überhaupt erlaubt war. Ich fand ihn im Bett, vor ihm stand ein batteriebetriebener Ventilator. Obwohl sich am Himmel dunkle Wolken türmten, war die Luft im Haus drückend heiß und schwül.
    Papa sah müde aus, er hatte dunkle Ringe unter den Augen und atmete schwer, sein Hemd war schweißnass. In solchen Momenten wurde mir immer bewusst, dass es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. Der dreifache Bypass hatte seinen Tribut gefordert, selbst von einem so energiegeladenen Menschen wie Papa.
    Nachdem er mir versichert hatte, dass ich mich dem Grab durchaus nähern durfte, ging ich mit einigen Kindern im Schlepptau den Hügel hinauf. Wir kamen an mehreren Hütten vorbei, und ich blieb kurz stehen, um nachzusehen, wie es der Mutter mit dem Neugeborenen ging.
    Sie begrüßte mich freudestrahlend und zeigte mir ihren Säugling. Ich untersuchte die Nabelschnur, die noch nicht abgefallen war, auf irgendwelche Anzeichen einer Infektion. Doch Mutter und Kind waren offenbar kerngesund.
    Also ging ich weiter, bog rechts ab und folgte dem kleinen, sich windenden Pfad. Die kühle Erde unter meinen nackten Füßen fühlte sich angenehm an. Ausladende Büsche mit roten Blüten daran bildeten einen wunderschönen Bogengang über dem Weg. Ich pflückte eine der Blüten und steckte sie Sophia-Bosa hinters Ohr. Die anderen Kinder fingen an zu lachen, aber kurz darauf hatten sie alle rote Blüten hinter den Ohren. Als Kinder hatten wir Teile dieser Blüten oft gegessen, denn das Innere ist zuckersüß und zieht nicht nur kleine Kinder, sondern auch Unmengen an Insekten an.
    Als wir uns dem Friedhof näherten, wurden die Klagegesänge lauter. Wir bogen um die letzte Ecke und betraten eine Lichtung. Am oberen Hang des Hügels hatten sie eine kleine Konstruktion errichtet. Es sah aus wie eine Miniaturhütte mit einem Palmdach, aber ohne Wände, die auf vier hölzernen Pfählen stand. Im Inneren war zwischen den Pfählen ein Moskitonetz befestigt.
    Die Fayu vergraben sämtliche persönlichen Dinge zusammen mit den Toten. Es sah seltsam aus, dieses bunte Moskitonetz mit all den Gegenständen von Klorus Frau darin. Da ich nichts riechen konnte, ging ich davon aus, dass sie die Leiche bereits bestattet hatten, und um ehrlich zu sein, war ich darüber sehr erleichtert. Der Verwesungsgeruch kann einem für Tage den Appetit verderben, das hatte ich während meiner Kindheit immer wieder erlebt.
    Vor Jahren hatten die Fayu ihre Toten nämlich noch nicht bestattet. Stattdessen legten sie die Leichen in ihre Hütten, und sobald die Verwesung einsetzte, pressten sie die restliche Flüssigkeit aus dem Körper und rieben sich damit ein. Nachdem die Leiche komplett zerfallen war, was durch die unzähligen Insekten und die hohe Luftfeuchtigkeit recht schnell ging, hängten sie die Knochen in ihrer Behausung auf.
     
    Kloru und Bebe waren am Grab, beide mit Lehm eingerieben, Pfeil und Bogen in der Hand, und tanzten um die Trauerstätte. Eine ältere Frau kümmerte sich liebevoll um die Hütte. Immer wieder stimmte sie in die Gesänge der beiden ein, dann kehrte sie wieder zu dem hölzernen Grab zurück, zog das Netz glatt oder legte Blumen und Blätter auf das Dach.
    Bebe winkte mir zum Gruß, als er gemessenen Schrittes vorbeitanzte. Ich winkte zurück, blieb aber in respektvollem Abstand stehen. Vielleicht war es auch die Angst, die Leiche könnte doch noch nicht bestattet sein und der Geruch würde nur von dem Netz abgefangen oder von Insekten, die inzwischen die Leiche bedeckten, oder aber vom Rückenwind, den ich hin und wieder spürte.
    Ich sah mir die Zeremonie eine Weile an, dann machte ich mich wieder auf den Weg, angetrieben von den Kindern, die sich allmählich langweilten. Wir nahmen einen anderen Pfad zurück zum Dorf und erkundeten die Umgebung, wobei wir

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