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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Täuschung umso überzeugender. Magnus machte einen ersten erfolgreichen Vorstoß, bei dem er zunächst zehntausend Pfund von Mrs   Bryant erschleichen konnte, ehe Eleanor Wraxford auf der Bildfläche erschien. Dieses Geld hatte er, wie Sie wissen, in Diamanten angelegt, ein leicht transportables und verkäufliches Gut.
    Sein Plan war, da bin ich mir sicher, eine Séance in der Art, wie wir sie heute Abend veranstaltet haben, durchzuführen. Eleanor Wraxfords Gabe wäre ins Spiel gebracht worden, und ganz sicher wäre Mrs   Bryants verstorbener Gemahl erschienen, der sie bestärkt hätte, ihr gesamtes Vermögen in Magnus Wraxfords Sanatorium zu investieren. Aber zu dem Zeitpunkt, als die Gruppe auf Wraxford eintraf, hatte sich Eleanor Wraxford gegen ihren Ehemann gewandt. Vielleicht war sie eifersüchtig auf Mrs   Bryant, vielleicht wollte sie – wie einige meinten – mit einem Liebhaber entfliehen. Jedenfalls war sie geistig verwirrt. Sie hatte die Bindung an ihre Familie verloren, ihr früherer Verlobter war unter mysteriösen Umständen hier in Wraxford Hall ums Leben gekommen, und laut Magnus, wie Godwin Rhys berichtete, hatte sie seinen Tod in einer Vision vorhergesehen. Magnus hatte sie mit ihrem Kind, von dessen Seite sie nicht weichen wollte, hierhergeschickt, um ihre Rolle in dem Betrug vorzubereiten   –»
    Wieder setzte ich zum Protest an, und wieder besann ich mich eines Besseren.
    «Er muss sich seiner Macht über sie sehr sicher gewesen sein. Aber dann missglückte sein Plan mit dem Tod von Mrs   Bryant in der Nacht ihrer Ankunft.
    Vielleicht erinnern Sie sich, dass eine Notiz in Eleanor Wraxfords Handschrift gefunden wurde, die Mrs   Bryant einlud, sie um Mitternacht in der Galerie zu treffen. Hier haben wir verschiedene Möglichkeiten. Vielleicht wollte sie Magnus’ Plan offenbaren, vielleicht wollte sie ihn zunichtemachen, indem sie Mrs   Bryant in Angst und Schrecken versetzte. Sie sehen, wie leicht sich mit diesem Apparat eine Frau mit einem schwachen Herzen im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode erschrecken lässt. Natürlich lief Magnus Gefahr, mit der geplanten Vorführung seine goldene Gans zu schlachten, aber dieses Risiko musste er hinnehmen. Zu der Séance wäre Mrs   Bryant in der Erwartung von etwas Außergewöhnlichem gegangen, aber hierauf war sie vollkommen unvorbereitet.
    Der Rest ist einfach: Eleanor Wraxford gelang es, sich noch während der Aufregung in die Sicherheit ihres Zimmers zu retten. Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern» – und er machte eine Verbeugung in Doktor Davenants Richtung   –, «dass die verbreitete Auffassung von Wahnsinn recht irrig ist. Ein Mann – oder unserem Fall eine Frau – kann unter dem Eindruck einer Wahnvorstellung die monströsesten Verbrechen begehen und den Anschein von klarem und vollkommen rationalem Handeln erwecken.
    Irgendwann in dieser Nacht inszenierte Eleanor Wraxford ihr Verschwinden. Sie versteckte ihr Kind oder brachte es um – es tut mir leid, Sie bekümmern zu müssen, Miss Langton, aber Letzteres scheint wahrscheinlicher. Eine Frau alleine hatte eine Chance, der nun folgenden Suche zu entkommen, im Gegensatz zu einer Frau mit einem Kind auf dem Arm. Es sei denn, sie gäbe das Kind an einen Komplizen, aber das hätte sie imVoraus arrangieren müssen – und warum sollte sie das Kind dann überhaupt nach Wraxford gebracht haben?»
    Ich konnte mich der Überzeugungskraft dieses Arguments nicht erwehren und spürte entsetzt, wie dieser Einwand, der mir nicht in den Sinn gekommen war, meine Theorie zunichtemachte.
    «Was auch immer das Schicksal des Kindes gewesen sein mag, Eleanor Wraxford gelang es, sich so lange zu verstecken, bis allein Magnus in dem Herrenhaus zurückblieb. Sie bedrohte ihn mit der Pistole, nahm die Diamanten, zwang ihn in die Rüstung und verklemmte den Mechanismus – das belegt das Zeugnis des Notars Montague. Vielleicht wollte sie ihn nur lange genug einsperren, um selbst fliehen zu können, vielleicht verlor sie die Nerven, wie die entsicherte Pistole und der abgerissene Fetzen ihres Kleids nahelegen.
    Dann kam die Ironie des Schicksals: Ein oder zwei Tage später schlug ein Blitz in das Herrenhaus ein. Vielleicht war Magnus Wraxford zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Ich hoffe es zumindest; meinem ärgsten Feind würde ich nicht einen solchen Tod wünschen. Ich glaube nicht, dass er vollkommen in Asche verwandelt wurde – was die Schlussfolgerung des Coroners war. Denn schließlich gibt

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