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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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anderen Räumen.» Er deutete mit zitterndem Finger darauf und sank, eine Hand aufs Herz gepresst, auf den Stuhl.
     
    Das Klopfen meines eigenen Herzens schien unnatürlich laut, als ich mich dem Eingang zur Bibliothek näherte. Auch diese Tür gab nicht nach, und auch hier ging der Schlüssel nicht ins Schloss. Dann blieb nur die Galerie. Der Teppich war an einigen Stellen durchgelaufen. Das Echo gefiel mir nicht, es klang beunruhigend nach schnellen Schritten. Als ich an die letzte Doppeltür kam, blickte ich auf das Geländer. Die sorgfältigen Reparaturen ließen von dem Unfall nichts mehr erkennen – wenn es denn einer gewesen war.
    Auch hier waren die Türen von innen versperrt. Ich hämmerte dagegen, abermals nicht ohne eine weitere Kaskade von Echos hervorzurufen. Ich konnte nach Grimes suchen, aber wie lange würde das dauern? – Und würde er mir gehorchen, wenn ich ihn fände? Ich wollte Cornelius’ Reich nicht bei Kerzenlicht betreten.
    Von den drei Eingängen war die Tür zum Arbeitszimmer etwas weniger solide als die anderen beiden. Ich ging ein Stück zu Drayton hinüber, der auf seinem Stuhl tiefer in sich zusammengesunken und kaum mehr bei Bewusstsein war, lehnte mich mit der Schulter gegen das obere Brett, bis es etwas nachgab. Ich wich ein Stück zurück und warf mich dann in der Erwartung, dass das Brett durchbrechen würde, mit meinemganzen Gewicht gegen die Tür. Stattdessen sprang die Tür mit einem berstenden Krachen auf. Ich wurde förmlich über die Türschwelle geworfen, als es Schloss und Riegel aus ihrer Verankerung an dem wurmstichig gewordenen Türpfosten riss.
    Niemand war im Arbeitszimmer, das eine Größe von etwa zwölf mal zehn Fuß hatte, mit einem Kamin am anderen Ende. An der Wand links von mir befand sich ein Feldbett, fein säuberlich zurechtgemacht, unter Reihen von Theologiebüchern. Ein Stück weiter an dieser Wand stand eine Tür offen und verbarg so, was immer hinter ihr liegen mochte. Rechts von mir, unter dem Fenster: ein Tisch, eine Blechkiste und – unpassend – ein Wäscheständer. Trotz der Kälte war die Luft abgestanden. Und da war noch etwas. Ein schwacher Geruch von Asche, der zunahm, als ich voller Unbehagen zur anderen Tür ging. Er kam von einer schwarzen, verkohlten Papiermasse im Kamin.
    Das angrenzende Zimmer enthielt, wie Magnus gesagt hatte, eine typische ländliche Bibliothek mit hohen Regalen an drei Seiten und einer Leiter für die hohen Regalbretter. Auch hier eine Täfelung aus Eichenholz, der Teppich abgewetzt, ein Ledersessel, ein enormer Kamin an der Kopfseite. Und kein Zeichen von Cornelius, selbst als ich mich für einen Blick um die Ecke in den Alkoven hinter der Wand zum Arbeitszimmer wappnete: nichts, außer einem langen leeren Tisch, keine Bücher, kein Papier, auch nicht auf einem der Stühle. Die beiden Türen in der Wand zur Galerie waren geschlossen.
    Sollte ich verschwinden
… Ich schluckte heftig und ging mit großen Schritten zu der näheren Tür, fasste nach dem Türgriff in der Hoffnung, sie möge geschlossen sein. Aber die Tür ging mit einem Quietschen und Stöhnen der Angeln nach innen auf und gab den Blick auf Dielen und einen langen Tisch unter Fenstern frei. Hier stand der massive Kamin, der den Sarkophag umrahmte und neben dem die wuchtige dunkle Rüstung stand, genau, wie Magnus es beschrieben hatte   … Aberkein runzliges Männlein lag auf dem Boden ausgestreckt, und nirgends gab es ein Versteck. Nirgends, außer der geschwärzten Figur, die höher und höher aufragte, je näher ich kam, bis sie bestimmt sieben Fuß hoch schien.
    Mit einem Schaudern, als sollte ich eine Schlange berühren, griff ich nach dem Schwertgriff. Als meine Finger das eisige Metall umfassten, hörte ich einen erstickten Laut, gefolgt von einem dumpfen Aufschlag, irgendwo hinter mir. Das war zu viel für meine Nerven, und ich lief Hals über Kopf durch die Bibliothek. Als ich in den Gang stürzte, umgeben vom hallenden Klang meiner Schritte, hörte ich einen weiteren Schrei aus der Dunkelheit unten. Für einen Moment dachte ich, es sei Drayton, ehe ich ihn neben seinem Stuhl liegen sah. Er war seinem letzten Ruf gefolgt.
     
    ∗∗∗
     
    Ich erinnere mich, dass ich das ältere Dienstmädchen Sarah zitternd am Fuß der Treppe fand. Sie hatte gedacht, der Geist sei zurückgekehrt (die Nachricht vom Verschwinden ihres Herrn nahm sie gleichgültig entgegen, brach aber in Tränen aus, als ich ihr von Drayton berichtete). Ich stolperte nach

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