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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Magnus aufgestellt hatte, niedergeschrieben. Das Testament von 1858 war unverändert. Allerdings sollte es doch noch zwei Jahre dauern, ehe sein Ableben bestätigt wurde. Cornelius Wraxford hinterließ Grimes und Eliza hundert Pfund, weitere hundert Pfund erhielten Drayton und Sarah. (Sie war offensichtlich Draytons Lebensgefährtin gewesen. Später erfuhr ich, dass seine rechtmäßige Ehefrau ihn vor vielen Jahren verlassen hatte.) Mein Vater hatte von diesem Vermächtnis nichts erwähnt, und ich war erstaunt über eine solche Großzügigkeit. Alles Übrige fiel Magnus zu: ein Klotz am Bein eher als ein unverhoffter Glücksfall, denn das Anwesen war schwer belastet.
     
    Cornelius’ Verschwinden hatte ein merkwürdiges Nachspiel. Einige Wochen nach dem Ereignis unterhielt ich mich mit dem Leiter des Gemeindekrankenhauses, Doktor Drawson, der mir von einem Patienten erzählte, der kürzlich verstorben war. Dieser Mann, ein Steinmetz auf Wanderschaft, war an dem Nachmittag des Unwetters in den Mönchswald geraten (möglich, dass er verfallene Minenschächte überprüfen wollte). Jedenfalls war er vom Weg abgekommen und irrte umher, bis er zu der alten Wraxford-Kapelle gelangte. Erschöpft von der stehenden Hitze, legte er sich unweit des Eingangs nieder, wo er in tiefen Schlaf fiel und erst in pechschwarzer Dunkelheit wieder erwachte. Das Unwetter hatte noch nicht begonnen, aber da kein Stern zu sehen war, traute er sich nicht vom Fleck, konnte er doch nicht einmal die Hand vor Augen sehen.
    Plötzlich erschien ein Funken Licht in der Schwärze, flackerte zwischen den Bäumen und kam auf ihn zu. Er wollte um Hilfe rufen, doch – obwohl er nicht aus der Gegend kam und nichts von dem Ruf Wraxford Halls wusste – etwas an diesem stillen, zielgerichteten Herannahen hielt ihn zurück. Als es näher kam, konnte er eine menschliche Gestalt ausmachen,wobei er nicht sagen konnte, ob Mann oder Frau, mit einer Laterne. Wieder hätte er beinahe geschrien, als er sah, dass die Gestalt statt eines Paletots eine Mönchskutte trug, die Kapuze über den Kopf gezogen. Nun bangte er um seine Seele und wäre blindlings in den Wald geflohen, aber seine Glieder waren vor Angst erstarrt. Zweige knackten unter den Füßen der Gestalt, als sie nur wenige Fuß von ihm entfernt vorüberging. Die Gestalt war groß, sagte er, zu groß für einen Sterblichen, und als sie vorbeiging, sah er flüchtig totenblasse Haut – oder war es Knochen? – unter der Kapuze.
    Die Gestalt ging, ohne innezuhalten, direkt auf die Kapellentür zu. Er hörte das Knirschen des Schlüssels, das Klacken des Schlosses und dann das Quietschen der Angeln, als die Tür nach innen aufschwang und das Wesen in der Kapelle verschwand und die Tür hinter sich schloss. Der Laternenschein drang durch eines der seitlichen Gitterfenster.
    Nun war seine Gelegenheit zur Flucht gekommen; er wusste, dass die Gestalt ihn sehen musste, wenn sie herauskäme. Aber er konnte sich nur so weit bewegen, wie der Lichtschein aus dem Fenster ihm den Weg wies. In der Dunkelheit hätte er sonst fallen können, und womöglich würde die Kreatur sich dann auf ihn stürzen. Er kroch langsam zur Seitenwand der Kapelle, immer am Rand des Halbkreises von schwachem Licht. Das Fensterglas fehlte, sodass ihn nur vier rostige Gitterstäbe von dem trennten, was drinnen vor sich ging.
    Die Gestalt stand mit dem Rücken zu ihm und hatte den Blick auf einen steinernen Sarg an der gegenüberliegenden Wand gerichtet; die Laterne hing an einer Konsole über ihr. Gerade als er durchs Fenster hineinsah, beugte sich die Gestalt vor und öffnete mit dem Knirschen von Stein auf Stein den Deckel des Sarkophags. Wieder verweigerten ihm seine Glieder den Gehorsam. Er konnte nur zusehen, wie die Gestalt ihre Laterne nahm, über den Rand schlüpfte und sich mit einer schwungvollen Bewegung im Sarg niederlegte, wobei sie denDeckel schloss. Es blieb nur ein schwacher Streifen gelben Lichts. Einen Moment später war auch dieser verschwunden. Er war wieder von vollkommener Dunkelheit umgeben.
    Nun verlor er endgültig die Nerven, und er floh Hals über Kopf in den Wald, stolpernd und von einem Hindernis gegen das nächste stoßend, bis er voller Wucht mit dem Kopf gegen einen Baumstamm prallte. Er kam nach unbestimmter Zeit durch das Krachen eines ohrenbetäubenden Donnerschlags zu sich. Selbst unter den Bäumen war er bis auf die Knochen durchnässt, und als er am nächsten Morgen endlich aus dem Mönchswald stolperte, ging

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