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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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sagen, aber genauso, wie ein magnetisches Feld einen Haufen von Eisenspänen in einem bestimmten Muster arrangiert, so belebt die Seele, das Lebensprinzip – nennen Sie es, wie Sie wollen   –, den irdischen Körper. Gut möglich, dass das Lebensprinzip nicht elektrisch ist, vielleicht hat es eine flüchtigere Erscheinungsweise, welche die Wissenschaft noch nicht entdeckt hat?
    Das sind, wie ich schon sagte, nur Theorien. Aber es wird sicherlich niemals eine bessere Gelegenheit geben, sie zu testen. Morgen Abend werden wir versuchen, einen Geist zu beschwören; wenn das missglücken sollte, bin ich willens, ein wagemutigeres Experiment durchzuführen. Ich werde Boltonanweisen, die Maschine auf Höchststufe zu stellen, und mich selbst in die Rüstung begeben.»
    «Aber mein lieber Magnus», sagte Mrs   Bryant und vergaß alle Diskretion, «das ist mit Sicherheit ein zu großes Risiko.»
    «Ich gestehe», sagte Magnus, «dass es weit größeren Mutes bedürfte, das während eines Gewitters zu tun. Aber nur so kann die Wissenschaft fortschreiten. Und wenn es gelingt – wenn etwas Wahres ist an der Sache mit der Pforte – dann wird Ihr Traum wahr werden   … Du weißt vermutlich nicht, mein Liebling» – damit wandte er sich mit seinem charmantesten Lächeln an mich   –, «dass Mrs   Bryant einen Rückzugsort für Spiritisten einrichten möchte: einen Ort mit besonders günstigen Bedingungen, weit entfernt vom geschäftigen Treiben des Alltags   …»
    Ich blickte ungläubig von einem zum andern.
    «Es ist ein großartiges Haus, Mrs   Wraxford», sagte Godwin Rhys. «Es bedarf natürlich der Renovierung, aber es könnte der Stolz dieser Gegend sein. Und eine so pittoreske Geschichte – das Verschwinden zweier seiner Besitzer – ist nur ein weiteres Gütesiegel   –»
    «Offensichtlich, Doktor Rhys», hörte ich mich sagen, «hat Ihnen mein Ehemann nicht erzählt, dass mein verstorbener Verlobter hier vor zwei Jahren ums Leben kam, sonst könnten Sie kaum so leichthin von diesem verfluchten Ort sprechen. Ich werde an deiner Séance teilnehmen, Magnus, weil du es befiehlst, aber ich werde nicht mit euch essen. Und nun müssen Sie mich entschuldigen.»
    Vergessen war die drohende Einweisung in ein Irrenhaus, für einen Moment war sogar Clara vergessen. Doktor Rhys’ Mund öffnete sich, aber er brachte keinen Laut hervor; Mrs   Bryant sah mich besorgt an. Ich blickte zu Magnus, als ich mich umdrehte, aber anstelle von Wut sah ich in seinem Gesicht nur Triumph. Sein Lächeln hing mir nach, während ich zur Tür ging.
     
    ∗∗∗
     
    Es hat gerade zehn Uhr geschlagen, meine Hand zittert beim Schreiben. Clara hat sich nicht gerührt, sie atmet kaum. Es war nicht recht von mir, ihr Laudanum zu geben, aber ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.
    Einmal mehr fürchte ich, mein Temperament hat mich genau das tun lassen, was Magnus wollte. Ich hatte halb damit gerechnet, wieder ins Esszimmer gerufen zu werden, aber Carrie kam um Viertel vor neun mit einem Tablett zu mir herauf, was meinen Verdacht nur bestärkte. Er trieb mich zu etwas, ohne dass ich es bemerkte – genauso, wie Mrs   Bryant und Doktor Rhys nicht bemerken, wie er mit ihnen spielt, als wären sie Handpuppen. Aber
was
hat er vor? Warum hat er, nachdem er solch ein Theater um meine «Gabe» gemacht hatte, sie heute Abend gerade ein Mal erwähnt? Und wenn die Séance ein Schwindel ist, warum soll ich dann zugegen sein? Die beiden sind ihm hörig, und er weiß sicherlich, dass ich, wenn sein Plan misslingt, die Erste bin, die ihn bloßstellt. Es ergibt keinen Sinn.
    Aber wenn Magnus wirklich an die monströse Funktion dieser Rüstung glaubt, dann kann das nur bedeuten
     
    Viertel nach zehn in der Nacht
    Jemand hat eine Nachricht unter meiner Tür durchgeschoben. In den letzten fünfzehn Minuten. Sicherlich, als ich nach Clara sah. Ein Blatt Papier, einmal gefaltet, keine Adresse, keine Unterschrift. Eine weibliche Handschrift – es könnte fast meine eigene sein.
     
    Kommen Sie um Mitternacht in die Galerie – ich habe das Geheimnis entdeckt und muss unter vier Augen mit Ihnen sprechen. Zerstören Sie dies und sagen Sie niemandem etwas davon.
     
    Wer kann es sein? Sicherlich nicht Mrs   Bryant. Selbst wenn sie eine erschreckende Entdeckung über Magnus gemacht hätte, wäre ich die Letzte, an die sie sich wenden würde. Eines der Dienstmädchen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Keine würde es wagen – oder auch wünschen  

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