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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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müssen in der Nähe des Kindes sein – hat es keine Amme?»
    «Nein – mein Dienstmädchen musste fort, kurz bevor ich hierherkam. Ich kümmere mich selbst um Clara – das ist meine Wahl, weil ich sie nicht einer Fremden anvertrauen werde», fügte sie hinzu, als sie meinen fragenden Blick sah. «Ja, ein trostloser Ort – er nahm das Leben des Mannes, den ich am meisten in der Welt liebte.»
    Während sie sprach, waren wir um die Hausecke gebogen. Ich sah die schwarze Leitung, die rostigen Flecken rannen wie Blut die Wand dahinter hinab.
    «Ich weiß», sagte ich unvermittelt, «dass Sie denken, ich hätte Edward Ravenscroft nicht gemocht. Die Wahrheit ist – und ich schäme mich dafür   –, ich beneidete ihn – um seine Jugend, seine Lebensfreude, sein Talent und vor allem   … Könnte der Verlust meines Lebens Ihnen Edward zurückgeben, wäre es ein Opfer, das ich leichten Herzens erbringen wollte.»
    Mir brach die Stimme bei diesem letzten Satz, und Tränen traten mir in die Augen. Sie nahm mich am Arm und führte mich über die Wiese zu einer Bank – einer Platte von moosbedecktem Stein.
    «Sie sind großherzig, Mr   Montague», sagte sie, als ich meine Fassung wiedergewonnen hatte. «Und ich bin froh, dass Sie nicht – auf Edward herabblickten, wie ich angenommen hatte.»
    «Im Gegenteil: Neid erwächst aus Aufsehen, nicht Herabblicken   … Verzeihen Sie, aber – Sie deuteten an, dass Sie nicht freiwillig hier sind.»
    «Dies ist der allerletzte Ort, an dem ich sein wollte, Mr   Montague. Aber Magnus wünscht es, und ich muss ihm gehorchen. Darf ich Sie fragen, was er Ihnen über das Experiment, wie er es nennt, gesagt hat?»
    «Ich habe nur eine kurze Nachricht bekommen, dass er sich freuen würde, wenn wir uns am Samstag wiedersehen, wenn er das Experiment, das er an jenem Abend – an jenem Abend, an dem ich Sie das erste Mal im Pfarrhaus sah – dargelegt hat, erproben möchte.»
    «Hat er irgendetwas darüber gesagt, welche Rolle ich darin spiele?»
    «Nichts – nur, dass Mrs   Wraxford mich grüßen lässt. Er sagte nicht einmal, ob Sie zugegen wären.»
    «Und erwähnte er Mrs   Bryant?»
    «Auch nicht – nur, dass einige Leute dabei sein werden. Aber – das Dienstmädchen hat mir gesagt, dass Magnus erstmorgen Nachmittag eintrifft. Darf ich fragen, warum Sie mit dem Kind alleine hier sind?»
    «Magnus wollte, dass ich früher käme, um mich einzuleben, weil ich bei Clara bleiben wollte.»
    «Ich verstehe. Und – äh – wer ist Mrs   Bryant?»
    «Eine reiche Witwe – eine Spiritistin. Magnus nennt sie seine Mäzenin.»
    Ich sah sie fragend an und wandte dann schnell den Blick ab.
    «Ich weiß nicht, was sie für ein Verhältnis zueinander haben, Mr   Montague. Sagen Sie – sind Sie und Magnus noch eng befreundet?»
    «Nicht, wie wir es einmal waren – wie ich dachte, dass wir es waren. Seit – seit Ihrer Hochzeit habe ich ihn nur zwei Mal gesehen – hat er das nicht erwähnt? Ich bat ihn beide Male, Ihnen Grüße auszurichten – es ging um das Anwesen. Er ist so freundlich wie eh und je, aber da ist eine Distanz – und vor allem eine Unwilligkeit, über Sie zu sprechen.» Ich hatte in Richtung der Ruine der alten Kapelle geblickt, die unter einem Baldachin aus Brennnesseln halb vergraben war, sah sie nun aber direkt an.
    «Darf ich fragen», sagte ich, «obwohl ich kein Recht dazu habe, warum Sie sich dazu entschieden haben, Magnus zu heiraten?»
    «Aus Angst, Mr   Montague – so scheint es mir zumindest. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, niemals davon zu sprechen?»
    «Bei meinem Leben.»
    «Die ‹Freundin›, von der ich sprach – in dieser Nacht im Pfarrhaus   –, war ich selbst. Ich hatte eine Vision – ich hatte eine Erscheinung gesehen – die mir Edwards Tod vorhersagte, nicht allerdings, wo und wann oder wie er sterben würde; es war noch, bevor ich ihn überhaupt traf. Magnus hatte gesagt, er könne mich von diesen Visitationen, wie ich sie nenne, heilen – und versuchte mich zu hypnotisieren, was zunächst misslang. Er warnte mich, dass ich, wenn die Visitationen wiederkehrten,in eine Irrenanstalt eingewiesen werden könne, wie meine Mutter mir bereits angedroht hatte, wenn ich nicht jemanden heiratete, der mir voller Sympathie zur Seite stünde, der mich beschützen würde – womit er sich selbst meinte. Unsere Hochzeit war ein Fehler – für uns beide, wobei Magnus das nie zugegeben hat. Er tut so, als ob alles in bester Ordnung wäre, aber ich fürchte,

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