Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
immer kotzen muss. An einem langen Greifarm wird eine Kapsel immer schneller im Kreis herumgeschleudert. In der Kapsel sitzt der Pilot. Vor ihm ist eine Kamera eingebaut, die sein Gesicht während der extremen Beschleunigung beobachtet. In dem Film sitzt also der Typ, ein Ami, und grinst noch kurz vorm Start aufsässig in die Kamera. Eine Stimme draußen zählt runter und ruft schließlich: Hundred per Pfennig! Jetzt sieht man bildfüllend das runde Pilotengesicht. Noch ist er super cool. Da, im Bruchteil einer Sekunde, entgleisen die Züge. Die Augen schließen sich, die Lider flattern, die Mundwinkel werden von unsichtbaren Gewalten nach unten gezerrt. Aus dem Smily wird eine Höllenfratze. Durch das gutmütige runde Amigesicht grinst plötzlich der Teufel selbst. Schließlich fällt der Kopf zur Seite. Das Blut sackt raus. Das Gehirn wird in einen Zustand versetzt, der dem des Sterbens sehr ähnlich ist. Es schüttet Drogen aus, damit der Körper nichtleidet. Erwacht der Testpilot aus der daraus folgenden kurzen Ohnmacht, dann beschreibt er, seinen Körper verlassen zu haben. Er bewegte sich auf einen langen dunklen Tunnel zu, an dessen Ende ein helles Licht strahlte. Ähnliches erzählen Patienten, die wiederbelebt werden mussten. Und Menschen, die Sex unter Drogen hatten. Aus dem Film habe ich zwei Dinge gelernt:
Ich fliege vorsichtshalber nie wieder Concorde.
Ich will verdammt noch mal den Tunnel sehen!
Aber genau hier kommt wieder der Wahnsinn ins Spiel. Wer lässt sich nach
Basic Instinct
schon noch gern ans Bett fesseln? Wer macht nach
Im Reich der Sinne
noch ohne weiteres ein kleines Würgespiel mit? Wer hat noch Spaß am wilden Ritt, nachdem er eine Dokumentation über Penisbruch gesehen hat? Wer lässt nach
Nepper, Schlepper, Bauernfänger
überhaupt noch einen fremden Menschen in sein Haus?
Verdammt! Ich muss Kitty absagen! Anrufen! Ich muss sie anrufen. Dringend! Aber wie ist ihre Nummer noch gleich? Und wie ihr verdammter Nachname?
Der Mann von der Auskunft hat eine Stimme wie Christian Brückner, der Synchronsprecher von Robert de Niro, the Voice, der 85 Prozent aller Werbespots in Radio und Fernsehen spricht. Sonor, samtig, erfahren, rauh, geheimnisvoll, kleines Zisch-S. Ein Mann, der nicht viel redet und doch alles sagt.
»Möchten Sie außerdem noch eine Nummer?«, fragt er abwartend, nachdem er mir Kittys diktiert hat.
»Haben Sie noch eine für mich?«, frage ich. Kurze Pause.
»Ja«, sagt er, »meine.« Und schaltet auf das Tonband um.
Mein Puls beschleunigt sich. Meine Füße prickeln undwerden warm. Ich höre schon das Geschenkpapier rascheln. Eine automatisierte Frauenstimme sagt: »Die gewünschte Rufnummer lautet: Zwo. Sieben. Eins. Null. Sechs. Sechs. Fünnef. Die Vorwahl lautet: Null. Drei. Null.« Ich schreibe mechanisch mit. Kitty ist vergessen. Den gelben Post-it-Zettel mit der Nummer spieße ich vorsichtig auf meinen Zettelpiker.
10. Mengele zum Kennenlernpreis
Zum Beispiel rumzappen. Das ist wirklich ergiebig.
»Das Tolle ist ja, dass die Natur nicht fragt: Wer braucht Nacktmulle? – Sondern sie hat einfach welche, ja?«, sagt Harald Schmidt.
»Wolfgang ist mehrfacher Multi-Millionär«, sagt Arabella Kiesbauer.
»Nur für mich zur Orientierung: Wer von euch ist jetzt Cindy und wer ist Bert?«, fragt Stefan Raab Cindy & Bert.
»Mengele, der Todesarzt, zum Kennenlernpreis von 19,95«, wirbt ein Kaufvideo-Hersteller.
Bärbel Schäfer
macht eine TED-Umfrage zum Thema: »Dürfen Dicke an den Strand?« Im Studio bahnt sich eine Prügelei an. Ich stimme telefonisch für Nein.
Da klingelt es an der Wohnungstür. Ich hänge noch am Telefon und öffne. Es ist aber nicht der Sushi-Mann. Es ist ein weibliches Subjekt, wahrscheinlich von einer Drückerbande. »Ich kaufe keine mundgemalten Glückwunschkarten«, sage ich und will rasch die Tür schließen.
»Aber Paprika …«
Ich starre sie an. Fuck! Kitty! Klar, heute ist Montag, das hatte ich völlig vergessen!
Kitty trägt ein kariertes Kapotthütchen (!), hat einen Rucksack auf, an dem ein Schlafsack baumelt (!), und strahlt: »Paprika! Sieht man dich auch mal wieder! Lass dich anschauen! Aber hallo! Gut siehste aus! So … irgendwie … schick!«
Ich bin nicht mal geschminkt. Ohne Schminke fühle ich mich ungeschützt, sehr privat, fast nackt. Kittys dunkler Pagenkopf kommt mir viel zu nah, aus mehrerlei Gründen. Einmal bin ich so weitsichtig, dass ich die Gesichtskonturen aus dieser Nähe kaum mehr erkennen kann, zum
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