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Ruf mich bei Deinem Namen

Ruf mich bei Deinem Namen

Titel: Ruf mich bei Deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Aciman
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schmeckt es mir nicht, sage ich.
    Probieren Sie’s einfach. Er schenkt mir und sich ein.
    Das Gebräu ist köstlich. Das Glas ist kaum größer als der Fingerhut meiner Großmutter, mit dem sie Socken gestopft hat.
    Nehmen Sie noch einen Schluck. Um sicher zu sein.
    Ich trinke. Der Geschmack ist ähnlich wie Grappa, nur stärker, aber nicht so scharf.
    Inzwischen sieht der Nachtportier mich unentwegt an. Ich kann es kaum noch ertragen und spüre ein nervöses Kichern in mir aufsteigen.
    Sie starren mich an, sage ich schließlich.
    Ich weiß.
    Warum?
    Er beugt sich zu mir hinüber.
    Weil ich Sie mag.
    Hören Sie mal …
    Nehmen Sie noch einen. Er schenkt sich ein, schenkt mir ein.
    Lassen Sie es mich so sagen: Ich bin nicht …
    Er lässt mich nicht ausreden.
    Umso mehr Grund, noch einen zu trinken.
    Ich sehe überall rote Warnlampen blinken. Sie machen dich betrunken, sie schleppen dich ab und rauben dich aus. Und wenn du zur Polizei gehst, die nicht weniger korrupt ist als die Diebe
selbst, behaupten sie alles mögliche und legen als Beweise Fotos vor. Eine weitere Sorge kommt hinzu: Die Rechnung in der Bar könnte astronomische Höhen erreichen, wenn derjenige,
der bestellt, gefärbten Tee schluckt und den Betrunkenen nur spielt. Der älteste Trick der Welt … Bin ich denn von gestern?
    Nein, danke, ich …
    Nehmen Sie noch einen.
    Lächeln.
    Ich will meinen matten Protest wiederholen, höre ihn aber schon wieder ›Nehmen Sie noch einen‹ sagen. Ich könnte laut herauslachen.
    Er sieht es, der Grund ist ihm einerlei, Hauptsache, ich bin heiter.
    Jetzt schenkt er sich selbst ein.
    Hör zu, amigo, du glaubst doch nicht, dass ich all diese Drinks bezahle?
    Mein kleines bourgeoises Ich hat sich durchgesetzt. Ich kenne diese verzuckerten Nettigkeiten, die immer damit enden, dass der Ausländer über den Tisch gezogen wird.
    Seltsamerweise ist er nicht beleidigt. Er muss damit gerechnet haben, hat es bestimmt schon hundertmal gemacht. Berufsrisiko.
    Hier, trinken Sie noch einen. Auf die Freundschaft.
    Freundschaft?
    Sie haben nichts von mir zu fürchten.
    Ich werde nicht mit Ihnen schlafen.
    Vielleicht nicht, vielleicht doch. Die Nacht ist jung. Und ich habe noch nicht aufgegeben.
    Und jetzt nimmt er die Mütze ab, und darunter kommt Haar zum Vorschein, unheimlich viel Haar, nicht zu fassen, dass man unter einer so kleinen Kopfbedeckung eine solche Fülle von Haar
unterbringen kann. Der Nachtportier ist eine Frau. Enttäuscht?
    Nein, im Gegenteil.
    Schmale Handgelenke, sittsame Miene, unglaublich weiche Haut, im Blick nicht die selbstbewusste Dreistigkeit der Frau mit Erfahrung, sondern Verheißungen von Sanftmut und Keuschheit im
Bett. Enttäuscht? Vielleicht – weil die Situation ihren Kitzel verloren hat.
    Eine Hand legte sich auf meine Wange, als wollte sie Schock und Überraschung lindern. Besser?
    Ich nickte.
    Du brauchst noch einen Drink.
    Und du auch, sagte ich. Diesmal schenkte ich ihr ein.
    Ich fragte, warum sie die Leute glauben ließ, sie sei ein Mann. Im Beruf ist es ungefährlicher, hatte ich erwartet oder, ein bisschen verwegener: Um solche Augenblicke zu erleben.
    Sie kicherte, als hätte sie mir einen bösen Streich gespielt, sei aber mit dem Ergebnis nicht unzufrieden. Aber ich bin ein Mann, sagte sie und nickte in mein fassungsloses Gesicht
hinein.
    Ein Mann?, fragte ich nicht weniger enttäuscht als über die Entdeckung, dass sie eine Frau war.
    Ja, leider.
    Er stützte beide Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor, bis er mit der Nasenspitze fast an meine Nase stieß. ›Ich mag Sie sehr, Signor Alfredo‹, sagte er.
›Und Sie mögen mich auch sehr, und das Schöne ist, dass wir es beide wissen.‹
    Ich starrte sie – ihn – an und sagte: Trinken wir noch einen.
    Wollte ich gerade vorschlagen, sagte mein durchtriebener Freund.
    Möchtest du mich als Mann oder Frau? fragte sie/er, als könnte man sich auf unserem phylogenetischen Baum auch wieder nach oben arbeiten.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich möchte dich als Intermezzo, hätte ich gern gesagt und sagte: Ich möchte dich als beides – oder als Mittelding.
    Das hatte er wohl nicht erwartet.
    ›Pfui, wie ungehörig‹, sagte er. Mir schien, dass ich es zum ersten Mal an diesem Abend geschafft hatte, ihn mit etwas wirklich Verderbtem zu schockieren.
    Als er aufstand, um zur Toilette zu gehen, sah ich, dass sie in Wirklichkeit doch eine Frau war, mit Kleid und High-Heels, und ich machte Stielaugen, als ich ihre

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