Ruf mich bei Deinem Namen
betrat. Ich hörte ein paar streunende Katzen, hörte ganz in der Nähe plätscherndes Wasser – einen Marmorbrunnen oder eine der zahllosen
städtischen fontanelle . »Wasser«, japste ich. »Martinis sind nicht mein Ding. Gott, was bin ich betrunken.«
»Du hättest gar keinen trinken dürfen. Erst Scotch, dann Wein, dann Grappa, jetzt Gin.«
»Sehr aufbauend für nächtlichen Sex!«
Er musste lachen. »Du siehst blass aus.«
»Ich glaube, mir wird schlecht.«
»Lass es raus, das hilft.«
»Wie denn?«
»Bück dich und steck den Zeigefinger tief in den Mund.«
Ich schüttelte den Kopf.
Auf dem Gehsteig stand eine Mülltonne. »Da rein.«
Wenn irgend möglich, versuche ich den Brechreiz zurückzudrängen, aber kleinlaut, wie ich war, schenkte ich mir an diesem Abend derlei Kindereien. Trotzdem – es war mir
peinlich, in seinem Beisein zu kotzen. Wenn uns nun Amanda nachgegangen war?
»Komm, beug dich vor, ich halte dir den Kopf.«
Ich sträubte mich. »Geht bestimmt vorüber.«
»Mach den Mund auf.« Ich gehorchte, und es ging los, kaum dass er mein Zäpfchen berührt hatte.
Was für ein Trost, dass er mir den Kopf hielt. Wie selbstlos und tapfer, einem anderen bei so etwas den Kopf zu halten. Hätte ich das umgekehrt auch gemacht?
»Ich glaube, es ist vorbei.«
»Vielleicht kommt noch was nach.«
Tatsächlich kam mit der nächsten Welle noch mehr von dem heraus, was ich heute im Lauf des Tages gegessen und getrunken hatte.
»Sag mal, kaust du deine Erbsen nicht?«, fragte er grinsend.
Ich fand es schön, auf diese Weise veralbert zu werden.
»Hoffentlich habe ich deine Schuhe nicht verdreckt«, sagte ich.
»Es sind keine Schuhe, sondern Sandalen.«
Darauf hätten wir uns kaputtlachen können.
Ich sah mich um und stellte fest, dass ich mich direkt vor der Statue des Pasquino übergeben hatte. Typisch, dass mir das ausgerechnet vor Roms berühmtestem Spötter passiert
war.
»Ich sag dir, da waren Erbsen dabei, die waren noch nicht mal angebissen, mit denen hätte man sämtliche Kinder Indiens satt machen können.«
Wieder mussten wir lachen. Ich wusch mir das Gesicht und spülte mir den Mund mit dem Wasser eines Brunnens aus, an dem wir auf dem Rückweg vorbeikamen.
Direkt vor uns sahen wir Dante wieder. Er hatte den Umhang abgelegt, das lange schwarze Haar hing ihm wirr bis auf die Schultern. In diesem Kostüm hatte er sich gut und gern fünf Pfund
abgeschwitzt. Er stritt gerade mit Nofretete. Auch sie war maskenlos und hatte schweißverklebtes Haar. »Heute Nacht hole ich meine Sachen und mach drei Kreuze, dass ich dich los
bin.« »Ganz meinerseits, und vaffanculo .« »Selber vaffanculo, e poi t’inculo. « Sprach’s und
warf eine Handvoll Münzen nach Dante, der sich rasch bückte. Trotzdem traf eine sein Gesicht. »Aiiio«, jaulte er. Ich dachte schon, sie würden sich prügeln.
Wir gingen durch eine andere, ebenso dunkle, leere, feucht glänzende Nebenstraße zurück, die auf die Via Santa Maria dell’Anima mündete. Über uns war an der Wand
eines alten kleinen Eckhauses eine eckige Straßenlampe angebracht, die mattes Licht spendete. Früher war dort bestimmt eine Gaslaterne gewesen. Ich blieb stehen, er blieb stehen.
»Der schönste Tag meines Lebens endet damit, dass ich kotzen muss.« Er hörte gar nicht hin. Er drückte mich an die Wand und küsste mich, seine Hüften an meine
gepresst, und machte Anstalten, mich hochzustemmen. Ich hatte die Augen geschlossen, aber als er einen Augenblick losließ, wusste ich, dass er sich nach Passanten umsah. Es kümmerte mich
nicht, das sollte seine Sorge sein. Dann küssten wir uns wieder, und mit geschlossenen Augen meinte ich zwei Stimmen zu hören, Altmännerstimmen: Guck dir bloß die beiden an, so
was hat’s früher nicht gegeben … Aber ich mochte nicht an sie denken, wenn sie Oliver nicht störten, sollten sie auch mich nicht stören. So hätte ich den Rest
meines Lebens verbringen mögen – mit ihm, in der Nacht, in Rom, die Augen fest geschlossen, ein Bein um seins geschlungen. Vielleicht würde ich in ein paar Wochen oder ein paar
Monaten hierher zurückkommen, denn das war nun unsere Stelle.
Da war unsere Bar, aber die anderen waren schon weg. Inzwischen war es drei oder sogar später. Bis auf das eine oder andere Auto war die Stadt totenstill. Als wir versehentlich auf der
sonst so belebten Piazza Rotonda landeten, auf der das Pantheon steht, war es auch dort ungewöhnlich leer. Ein paar Touristen
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