Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
fragen, und wir hatten es doch so halbweges, noch vom Baseler Frieden her, garantirt. Und er hat es gethan, um uns mit England aneinander zu bringen. Er sperrt die Flußhäfen gegen die Kolonialwaaren, und die Engländer sperren sie uns, daß wir unser Holz und unsere Leinwand nicht rausschicken können. Das giebt nun viel Jammer und Geschrei, aber das ist alles nichts als das Strohfeuer, womit man die Bienen aus dem Baume und die Fische aus dem Wasser lockt. Die ganze deutsche Nation hat auf uns gewartet, daß wir doch nun losschlagen würden. Man kann's in allen Zeitungen lesen, daß alle Biedermänner auf uns warten. Aber es giebt noch viel ungeduldigere Leute. Der Schwedenkönig ist wie toll umhergelaufen, und hat überall angeklingelt: Macht doch Krieg! Der russische Kaiser rüstet: Krieg
partout!
ruft er. Und ganz in der Stille rüstet Oesterreich. Darum sollen wir auch in die Falle gehen und auch rüsten. Aber wir gehen nicht in die Falle, und rüsten nicht. Denn Rüsten kostet Geld, und der Krieg bringt nichts ein, und was geht's uns an. Sehen Sie, der alte Lupinus hat doch auch etwas in die Zeitungen geguckt.«
»Und wir, eingekeilt in diese Mitte! Ganz Europa in Waffen gegen einander, und wir –«
»Sehen zu – wie sie sich schlagen und vertragen, und denken mit König Salomo: Alles ist eitel!«
Walters Brust hob sich; es waren ernste Gefühle, die heraus wollten, aber er überwand sich –, es war hier nicht der Ort dazu. Nur ein Stoßseufzer brach es hervor: »Und der Brand in unsern eignen Eingeweiden!«
»Ein Eimer Wasser drauf, lieber Walter. Ist probat!« Hatte der Gelehrte ein Sonntagsgesicht? Er, der nichts sah, was um ihn vorging, blickte er heute in die Seelenzustände eines Andern und fand sein Vergnügen darin, das Verborgene heraus zu schöpfen? – »Da steht nun wieder auf Ihrem Gesicht: Ach Gott, der gute Geheimrath Lupinus! Er weiß, woran die Verfassungen in Rom und Athen zu Grunde gingen, aber wie es im Preußischen Staat gährt und stockt, das sind ihm Böhmische Dörfer. – Wer wird denn gleich Einen verdammen, junger Herr, ohne das er ein bischen versucht hat, ihn zu bessern! – Oder zu untersuchen, ob denn nicht doch ein Lichtchen der Erkenntniß in ihm flackert! – Manche Fahne, die vor dem Heer des großen Königs flatterte, ist von den Motten zerfressen, das weiß ich, und die Monturen im Zeughause gehen in Plunder, wenn man sie ausklopft. Weiß auch noch mehr. Unsere Soldaten sind nicht Bonaparte's Soldaten. Und unsere Offiziere – weiß ich auch, man muß aber nicht alles sagen, was man weiß. Die eisernen Ladestöcke, durch die wir bei Mollwitz siegten, sind jetzt Gemeingut geworden, die Räder von unserm Fuhrwesen gehen aber noch in dem Geleise von Anno ehemals. Unser Schatz ist ausgepumpt, das weiß ich auch, und das Bischen, was unser junger König durch Sparsamkeit wieder hineinfließen lässt, löscht noch nicht den Durst. Es sieht auch in den Finanzen ganz kurios aus; unter dem Schimmel werden wohl noch manche harte Thaler liegen, aber man kratzt den Schimmel nicht ab, weil manches andre damit blos gelegt würde. Ja, ja, die Blöße fürchtet man, und hat daran ganz recht. Viele Schlösser sehen blank geputzt aus, schließen aber nicht mehr, und manche Mühlen klappern wohl, mahlen aber nicht mehr. Auch die große Staatsmühle macht noch dasselbe Geräusch, daß man's in weiter Ferne hört, und wunders denkt, was sie mahlen muß, aber wer in die Mehlkammer sieht, merkt, daß es kaum zur Noth hinreicht. Das kann nun von mancherlei herkommen. Etwa davon, daß man niemals vorher weiß, woher der Wind kommt, und wenn er da ist, erschrocken links und rechts rennt, und was links stehen soll, rechts stellt, und was rechts links. Auch kann die Mühle von alter Konstruktion sein, und in Holland und Amerika haben sie seitdem bessere Gänge erfunden. Und dann spricht man auch von der großen Staatsuhr, deren Räderwerk erst gar quer und verkehrt wäre, denn wenn einer nicht täglich sie stellte, so zeigte sie nie die rechte Stunde an. Das käme aber daher, weil kein Rad ins andre griffe, große und kleine, es ginge jedes für sich, die Räder der Minister, und kein Oberminister, der sie regulirte, und wenn sie auch mal regulair gingen, so hätten die Geheimen Kabinetsräthe wieder ihren aparten Schlüssel, und die Oberpräsidenten in den Provinzen wohl auch; und wäre mal,
rara avis,
alles egal und konform, dann schöbe ein Finger von ganz oben den Zeiger um eine
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