Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Luft, das sei aber uneigentlich gesagt, denn sie kämen um an dem atomisirten Staub des Metalls. Im Mittelalter und aus den Höhlen des Jesuitismus seien daraus grauenhafte Künste hervorgegangen, man habe durch künstlich präparirte Stoffe einen Staub erzeugt, der plötzlich oder langsam nach einer gewissen Berechnung die dazu erwählten Opfer getödtet. Dieser habe einen Brief eröffnet, und der Streusand, der ihm entgegen spritzte, sei Gift gewesen. Einem Andern – und er nannte sogar einen Kaiser-Namen, habe man die Kerzen, die in seinem Zimmer brannten, mit Arsenik versetzt, und das aussprühende Licht habe allmälig den vergiftet, der nach der Meinung einer Hofpartei, die das Dunkel liebte, zu viel Licht geliebt hatte.
    Die Geheimräthin hatte aufmerksam zugehört: »Und doch wollen Sie sich mit dem Staube vertragen?«
    Er hatte gelächelt: »Das sind Ausnahmen, meine Liebe, aus den Zeiten der Barbarei und Finsterniß. Feinde und Staub sind nur Produkte unruhiger Thätigkeit.«
    Dann wäre eigentlich das Beste, sein ganzes Leben lang schlafen! hatte seine Frau gedacht. Er aber hatte fortgefahren: »Wenn wir alles ruhen ließen ließen, was liegt, wäre das Leben noch einmal so glücklich. Weil die Menschen allesbesser machen wollen, rühren sie das auf, was die Vernunft und die Geschichte längst beseitigt hatte, und es kommt in neuer Form und Färbung zum Vorschein und quält uns aufs Neue, was unsere Väter und Urgroßväter schon gequält hatte. Die Geschichte des Menschengeschlechts, meine Theure,« pflegte er lächelnd hinzuzusetzen, »ist in einem kleinem Buch geschrieben, wenn wir das immer und immer wieder lesen, kennten wir alle seine Bestrebungen in das
vetitum nefas,
alle seine eitle Hoffnungen und Thorheiten und die Lehre, welches der einzige Weg zum Glück ist, sich zu finden in das was ist und – und nicht unnöthig Staub aufrühren.«
    Alsdann pflegte eine Lobrede auf den Horaz zu folgen, die aber von der Geheimräthin an einem bestimmten Wendepunkte mit einer praktischen Bemerkung auf etwas anderes übergeleitet ward. Der Geheimrath wusste es, lächelte, schwieg und war eigentlich zufrieden. In der Hauptsache aber waren sie zu einem Akkord gekommen. Seine Ausgaben des Horaz, die auf einer Reihe niedriger Regale wie eine Art Schirmwand um den Arbeitstisch standen, durfte die Frau wöchentlich einmal abstäuben; aber nur sie selbst und mit einem weichen Pfauenwedel. Sie nahm jeden Band einzeln heraus, trug ihn in das Vorzimmer und fegte ihn am geöffneten Fenster. Da lächelte er zufrieden, die andern Bücher, die hinten bis an die Decke die Zimmerwände füllten, sollten nur dann und wann, und nur ganz oberflächlich abgestäubt werden. Auch sollten dazu sonnige Tage abgewartet werden, weil die Sonne den Staub niederdrückt. Die Horazregale sollten dabei mit Leinentüchern überdeckt, und der Geheimrath selbst jedesmal vorher avertirt werden, um zu untersuchen, ob es nöthig sei. – Ob diese Bedingungen streng inne gehalten wurden, bleibt ein häusliches Geheimniß. Die letzte gewiß nicht, denn der Geheimrath hätte es nie für nöthig gefunden.
    Aber der Eifer der Geheimräthin musste nachgelassen haben; die Luft verrieth, daß die Fenster sehr lange nicht geöffnet worden. Der chromatische Farbenspiegel der Scheiben, und die Spinneweben an den Fensterecken gaben den vollgültigsten Beweis dafür, daß, wie alle Passionen, auch die des Reinlichkeitssinnes einem Wechsel unterworfen sind. Oder waren es andere Gründe? Grade diese Spinnen, der schillernde Glanz der Scheiben, der Duft des Unberührtseins war es, was dem Zimmer den Charakter sonntäglicher Heimlichkeit gab. Wohlverstanden der sonntäglichen Heimlichkeit einer alten deutschen Gelehrtenstube, in welche der Qualm des Tabaks noch nicht eingedrungen und den Büchergeruch noch nicht niedergedrückt hat. Und ganz zu dieser Stube, will man sagen wie die Seele zum Körper, oder die Spinne in ihrem Netze, passte die Gestalt des Geheimrathes, der den Kopf im Ellnbogen und den Ellnbogen auf einem Folianten in ihrer Mitte saß, wohlgefällig, zufrieden, schlau lächelnd.
    So hatte er das Wort gesprochen: »Und wir behalten Frieden und Alles bleibt beim Alten!« als ein Seufzer aus der tiefen Stille des Zimmers ihm antwortete.
    Der Geheimrath glaubte an keine Gespenster, er sah auch nach keinem, als sein schlauer Blick über das Regal, welches die Zweibrückner Horaze trug, auf die schweinslederne Hinterwand fiel, wo Jemand auf der Leiter

Weitere Kostenlose Bücher