Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Viertelstunde zurück, wodurch denn das ganze Räderwerk in Unordnung geriethe. Das ist nur etwas, es ist aber noch viel mehr.«
    Walter hatte mit steigender Bewunderung zugehört.
    »Und was ich nun thue? wollen Sie fragen. Da will ich Ihnen mit einem Dichter antworten, keinem alten, nein, einem allerneuesten, den ich auf meiner Frau Tisch fand, das ist der Herr Bürde aus Schlesien. Da lesen Sie es:
     
    Glücklich, wer im engbegrenzten Raume
    Seiner Heimat tiefe Wurzeln schlägt,
    Und, gleich einem wohlgediehnen Baume
    Fest steht, und die Aeste nur bewegt!
     
    Der die Lebens-Nothdurft nur begehret,
    Und, allein auf Gegenwart beschränkt,
    Was er heut erworben, heut verzehret,
    Und sich weder heftig freut, noch kränkt;
     
    Den die Welt zu sehen nicht gelüstet,
    Der mit Bessrem Gutes nicht vergleicht,
    Und, zur letzten Reise stets gerüstet,
    Sich geräuschlos aus dem Leben schleicht.
     
    Nur umsonst verdoppeln wir die Schritte,
    Nie erreichen wir das Ziel der Bahn,
    Immer stehn wir in des Cirkels Mitte,
    Und der Umkreis weicht, so wie wir nahn.
     
    Das sind noch Gefühle eines Dichters,« sprach er, das Buch fortlegend.
    »Der einer ersterbenden Welt angehört, wie sein Horaz,« sprach Walter für sich. Er nahm die Vorlesung als Zeichen zum Abschied, der Geheimrath hatte es aber nicht so gemeint:
    »Wenn eine Mühle ins Stocken geräth, glauben Sie, daß wir darum kein Brod mehr zu essen bekommen, und wenn alle Uhren unrichtig gingen, daß die Sonne sich darum auch einmal verspätet, aufzugehen?«
    Walter meinte, es sei doch eines Jeden Pflicht, dafür zu sorgen, daß seine Uhr richtig gehe.
    »Für seine eigene mag er sorgen, lieber Herr van Asten, aber nicht um die Rathhausuhr.«
    Lupinus sah ihn dabei sehr pfiffig an. Walter erröthete wieder: »Sie möchten unsern Staat wieder auf die Beine bringen. Da ließen Sie neulich einen Zettel fallen – warten Sie, wo hab' ich ihn gleich hingelegt? – Hier! Das ist wohl kein Excerpt, so mit frischer Dinte, recht frisch aus dem Herzen geschrieben: ›Daß ein Staat, der bestehen will, der Sitten, oder, wo diese fehlen, kräftiger Männer zur Ausführung kräftiger Maßregeln bedürfe, gewahrt Niemand. Die Augen gehen erst in der Noth auf.‹«
    Walter steckte hastig den Zettel in die Brusttasche: »Zu einem Briefe –«
    »So, also ein Brief! Da wollte ich Sie nur bitten, sich an den zu erinnern, welchen der junge Herr Gentz bei der Thronbesteigung an seine Majestät den König schrieb. Das war mal genial! Wie riß man sich darum! Da lag's doch klar, wie ein umgestürzter Pudding auf der Schüssel, wo's bei uns manquirte, was anders, besser nun gemacht werden sollte. Man brauchte nur zuzugreifen, gar keine Mühe sich zu geben, nur zu thun, zu decretiren, wie's der junge Herr Gentz den Ministern wies. – Haben sie's gethan? Haben sie zugegriffen? Nichts angerührt, 's ist Alles beim Alten geblieben. Und Herr Gentz? Ist er Minister, Kabinetsrath, Präsident geworden? Er blieb Kriegs- und Domainenrath, hatte niemals Geld, aber immer Schulden. Bis es ihm hier zu langweilig ward, und er fortlief, nach Oesterreich. Seine Sachen brauchte er nicht zu verkaufen, dafür sorgten schon seine Gläubiger; aber seine Grundsätze, die waren lange vorher schon versilbert. Na, an wen ist denn Ihr Brief gerichtet?«
    Da lag sein Geheimniß trocken an der Luft. Walter hatte bis da nur einen Stolz, als freier Mann unter den drängenden Verhältnissen zu stehen. Musste ihm der, von dem er es am wenigsten vermuthete, ablauschen, was er sich selbst noch nicht vollkommen eingestand!
    Lupinus musste seine innersten Bewegungen verstanden haben.
    »Junger Freund! Warum denn gegen sich selbst unwahr sein! Was die Freiheit ist, hat weder Plato noch Seneca erklärt, gewiß ist aber, sie giebt nichts zu beißen und zu brechen. Ein Dichter wollen Sie nicht werden, und ein Kaufmann auch nicht. Ganz recht, der eine kann Bankerott machen, und der andere verhungert, wenn nicht ganz, doch beinah. Also was bleibt Ihnen, als eine Anstellung suchen. Den Staat verbessern wollen, ist aber der schlechteste Anfang von einer Carriere.«
    Walter hatte sich wieder gesammelt: »Wenn ich nun aber doch so thöricht wäre, anmaßend, geben Sie meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen, ich protestire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch in mir den Ruf fühlte, nach diesem Ziele zu streben, warum nicht anfangen, wie ich enden will?«
    Der Gelehrte sah ihn scharf an: »Weil Sie dann nicht zum Ziele kommen,«

Weitere Kostenlose Bücher