Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
wenn man gleich weiß, daß durch seine aufopfernde Vermittelung diejenige Person endlich arretirt wurde, welche den Unfug in dem Hause veranlasst, ja, wir sind auch davon überzeugt, daß die in letzter Nacht erfolgte Flucht der verhafteten Dame aus dem Gefängniß einer Intrigue wird zugeschrieben werden. Indem wir unser Bedauern über derartige Insinuationen nicht verbergen und in der Leichtgläubigkeit, mit der das Publikum auf sie horcht, eine tiefere Immoralität als in der gerügten betrauern, sind wir doch des Glaubens, daß der größere und bessere Theil des Publikums sich davon nicht täuschen lassen und das Vertrauen sich erhalten wird, daß Niemand besser als unsere Obrigkeit für unsre wahre Wohlfahrt sorgt, welche in der Ruhe und dem Frieden aller rechtschaffenen Menschen besteht. Die Argwöhnischen und Böswilligen, das wissen wir, werden wir nicht damit zum Schweigen bringen, aber Heil dem Staate, wo das Auge seines Oberhauptes über das Wohl Aller wacht, wo vor seinem Throne der Kleinste wie der Größte nur Gerechtigkeit zu erwarten hat. Wo die Tugend auf dem Throne sitzt, kann die Immoralität keinen dauernden Wohnsitz im Lande haben.«
     
Einundzwanzigstes Kapitel.
     
Staub.
    »Und wir behalten Frieden, und Alles bleibt beim Alten,« schloß der Geheimrath Lupinus, diesmal aber in der Jägerstraße, und schob den grünen Augenschirm zurecht.
    Es lag eine sonntägliche Heimlichkeit über der geweihten Stube. Kein Dienstbote durfte sie aus freien Stücken betreten. Die Frau Geheimräthin besorgte selbst das Abstäuben der Bücher, und wenn sie der Hülfe einer gröberen Hand bedurfte, musste der Fuß, der zu dieser Hand gehörte, die Schuhe zurücklassen. Aber das Abstäuben und Reinemachen war ein Festtag, zu dem man die günstige Stunde ablauschen musste. Der Geheimrath behauptete, nichts sei so gefährlich der Gesundheit als der Staub; in demselben sammelten sich die Atome, die der organische Lebensprozeß nicht zu absorbiren vermöge, also das Todte, vielleicht das Tödtende. Warum also das aufregen, künstlich in Bewegung setzen, was sich selbst bereits, nach dem Gesetz der Schwere, vom Leben abgesetzt hat?
    Die Geheimräthin hatte dagegen nur zwei Einwendungen. Es sei doch besser, den Staub mit allen Vorsichtsmaßregeln für die Gesundheit, als da sind nasse Tücher, Handbesen, feuchter Sand und geöffnete Fenster, durch einen raschen, wohlgeleiteten Angriff zu bewältigen, als abzuwarten, bis eine zufällige Gelegenheit diesen Feind der Gesundheit von selbst in Aufruhr bringt. Demnächst, wenn er immer liegen bleibt, verderbe er die Bücher selbst, und darunter Raritäten, die unersetzlich wären.
    Das letzte Argument hatte angeschlagen. Wenn Menschen sterben, werden andere dafür geboren; seltene Ausgaben, Incunablen, gehen unter, um nie wieder geboren zu werden.
    Hinsichts des ersteren Argumentes hatte er manche Bedenken gehabt. Die Vorsicht, die man beim gefährlichen Ausstäuben anwende, könne besser darauf verwandt werden, daß man sich jeder heftigen Bewegung enthalte, was überhaupt zur Konservation des Lebens zuträglich sei. Denn das eigentliche Gift des Lebensorganismus seien die Affekte, weit gefährlicher als üble Angewöhnungen, selbst als Laster. Deshalb hatte er an den Fenstern doppelte Reiber anbringen und Tuchecken an die Seiten anschlagen lassen, auch eine Doppelthür vor das Vorzimmer, und die gesteppte Tuchdecke verhinderte jede Erschütterung beim Gehen.
    »Sie vergessen nur,« hatte die Geheimräthin erwidert, »daß Ihre Fußdecke mit dem Heu darunter selbst ein Staubreservoir ist, und daß Sie beim leisesten Auftreten diese feinen Atome aufrühren und gerade die, welche am gefährlichsten auf die Lunge fallen.«
    Der Geheimrath sparte im Leben die lauten Worte, da ein Wortwechsel auch mit sich selbst zu Affekten führen kann, aber wenn ein Thema ihn angeregt, ergossen sich auch die lang gesperrten Schleusen in langen Sermonen. Er erinnerte daran, daß die Müller und Steinsetzer ein verhältnißmäßig kurzes Leben führten, und gewöhnlich an der Auszehrung stürben, weil der feine Mehlstaub von den zerklopften und gefeilten Sandsteinen auf die Lunge falle. Es gebe auch einen Staub von gewissen Vegetabilien, Stein-Erden und Metallen, so feiner Art, daß ihn das unbewaffnete Auge nicht zu entdecken vermöge, und doch sei er höchst schädlich. So wirke der Arsenik in den Gruben. Gewöhnlich sage man, die Verbrecher die dort arbeiten, stürben an der vergifteten

Weitere Kostenlose Bücher