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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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geöffnet, dem Ihre Gattin Muttersorge widmet, ihres Unglücks wegen mir heilig ist. Sie und ich, das ist ein langer Weg, den wir zu gehen hätten, bis wir uns träfen, und sie selbst vielleicht noch nicht –«
    Der Geheimrath wehrte mit beiden Händen: »Ist nicht mein Departement. Ist meiner Frau ihres. Da sprechen Sie, da schweigen Sie, wie Sie's für gut finden.« Er fasste seine Hand und sah ihn vertraulich, fast bittend an: »Lieber Walter, schweigen Sie lieber, es ist besser, daß Niemand etwas davon erfährt. Wir haben hier vielerlei Allotria getrieben. Gott weiß, wie ich mich fortreißen ließ. So ist's mit unsrer Stärke und unsern Entschlüssen! Rühmte mich, nichts solle in meine Kreise dringen, wenn ich meine Thür verschlösse, und plötzlich stand drinnen der Bonaparte, unsre Monturen, Finanzen, und gar eine Liebschaft von Ihnen, und rannten mich beinahe um unter meinen Büchern. – Vergessen Sie, daß Sie einen alten Mann in einer schwachen Stunde betroffen haben!«
    »Also das bleibt Alles unter uns,« schien das letzte Wort, als er Waltern gleichsam an die Thüre gedrängt, aus Besorgniß, daß von den Allotriis doch noch etwas über die Lippen kommen könnte. Aber dort legte er die Hand ihm noch einmal auf die Schulter:
    »Lieber Herr van Asten, um Sie ist mir nicht bange. So oder so, aus Ihnen wird was. Bleiben Sie ein
vir integer.
Rühren Sie nicht mehr Staub auf, als absolut nöthig ist. Aber das kann ich Ihnen wohl sagen: Wer nie in Italien war, nie das Albaner-Gebirge gesehen hat, mit keinem Fußtritt am See gestanden, und doch wie Sie den Tractus von Albalonga, die alte Latinerstadt in dem länglichen Bergrücken herausfand, der ist auch zu mehr berufen. Heyne und Wolf und Alle, im Grunde genommen, was sind sie uns!
Graeca sunt, non leguntur;
es hat etwas für sich. Aber Latium! Rom ist ewig. Und nun will ich's Ihnen sagen, habe Ihre Dissertation an Herrn Niebuhr geschickt. Er findet Sentiment darin – ästimirt Ihre Konjekturalkritik, wird einmal selbst an Ort and Stelle untersuchen – jetzt kommt er her und wird wahrscheinlich Banco-Direktor. Ist das, dann können Sie auf eine Anstellung bei der Bank rechnen, und Ihr Schicksal ist gemacht.«
     

Zweiundzwanzigstes Kapitel.
     
Unterricht in der Erziehung.
    Wir waren nur am späten Abend, bei einem flüchtigen Besuch, in den Zimmern der Geheimräthin. Es sah jetzt anders darin aus. Die Möbel hatten neue Ueberzüge erhalten, manches Veraltete war einem neu Angeschafften gewichen. Die Schildereien waren geschmackvoller geordnet, das Silberzeug glänzte frisch aufgeputzt, und die Geheimräthin war selbst beim Drapiren der Gardinen beschäftigt, als van Asten eintrat.
    »Sie finden mich in einer ungewohnten Beschäftigung. Aber wenn man etwas ordentlich gemacht haben will, kann man es den Leuten nicht überlassen. Es hält schwer, unseren Ouvriers Geschmack beizubringen.«
    »Frau Geheimräthin erwarten Gesellschaft?«
    »Eine ganz kleine. Sie wissen, wie die großen, glänzenden mir zuwider sind, wo Alles auf den Apparat abgesehen ist, und Geist und Herz sich verstehen müssen.«
    »Man spricht schon in der Stadt von Ihren geistvollen Cirkeln.«
    Die Geheimräthin zuckte die Achseln: sie möchte wünschen, daß man weniger davon spreche, man könnte sein Haus doch auch nicht für Jedermann offen halten. Dennoch wehrte sie die Elogen schon schwächer ab, als Walter van Asten die Aeußerung einer geistvollen Prinzessin wiederholte, die sich gefreut, daß doch endlich einmal das Haus eines Offizianten sich der Bildung und Kunst erschlossen, da, wer nach Geist und Intelligenz verlangt, sie bis jetzt fast nur in den reichen Judenhäusern suchen musste.
    Die Geheimräthin lächelte: »Zu gütig von dieser geistreichen Prinzessin. Der Prinz, ihr Bruder, macht allerdings keinen Unterschied, ob er in der
haute volée
oder in den Judenhäusern ist; nur im Schooß seiner Familie sieht man ihn am seltensten.«
    Die Bemerkungen waren so hingeworfen, daß Walter darin die Aufforderung las, noch mehr zu erzählen, obwohl ihre Worte dagegen protestirten. Dieselbe Prinzessin hatte geäußert, es sei doch eine wirkliche Beschämung für unsern Adel, daß er der Kunst und Wissenschaft und dem Umgange mit den Geistern der Nation sich verschließe, die ihre Ehre ausmachen. Da hätte eine Fremde, die Staël nach Berlin kommen müssen, um ästhetische Cirkel zu bilden, und jetzt usurpire Prinzeß Biron von Kurland, was die Pflicht des einheimischen Adels

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