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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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hub er nach einer Pause an. »Ein Mann, der seine Frau erziehen will, muß es ihr ja nicht sagen, so sagt man wenigstens, und wer den Staat verbessern will, muß es ja nicht merken lassen. Wollen Sie mein Recept wissen? 'S ist kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man groß ist, muß man sich klein ducken, sich anschlängeln an das, was gilt. Meistens an Personen, zuweilen an Gedanken. Wenn's auch recht dumm ist, und man von Herzen drüber lacht, oder sich ärgert! – Lachen Sie immer und ärgern sich, nur bei zugeschlossenen Thüren! – Ohr und Auge aufhaben, aufgepasst auf alle Falten und Fältchen, und da bei guter Zeit ein Zeichen zwischen gelegt! Was kann man nicht in schwachen Stunden belauschen, und hat man erst die Schwächen eines großen Mannes weg, dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald nothwendig. Und ist man ihm erst nothwendig, so ist man auch sein Herr. Vor dem Brausewind, der alles besser wissen, alles wegfegen will, verschließen sich solche Herren, auch wenn ihnen seine Ansichten gefallen. Sie denken, der kann dich mal selbst fortfegen. – Und die Herren am Ruder hier sind so affabel. An Protektionen soll's Ihnen nicht fehlen. Schreiben Sie eine Vertheidigung der Politik der Herren Kabinetsräthe. Man wird Sie nicht gleich zum Kriegs- und Domainenrath machen, aber ein kleines Pöstchen giebt's schon, vielleicht ein besseres, als mit einem Titel, so ein Sekretär
in secretis
–«
    »Und wohin führt das?«
    »Warten Sie doch! Ein klein Bischen Geduld nur, und ein Bischen mehr noch. Haben Sie erst Posto gefasst, Ihre Fühlfäden ausgestreckt, kennen Sie die Menschen und ihre Gedanken, was sich anzieht und was sich abstößt, wissen Sie, was noch feststeht und was schwankt, dann ist ja noch immer Zeit.«
    »Wozu?«
    »Was Sie wollen. Meinethalben, Sie werden schon was Gutes gewollt haben. Sind Sie der Mann am Steuer, und an Kapacitäten fehlt es Ihnen nicht, und ästimire auch Ihren Charakter, aufrichtig, dann – einen Schub, einen Fußstoß! Wie Sie's anfangen, daß der alte Plunder zusammenbricht, darum ist mir nicht bange. Nicht wie Coriolan und Catilina muß man anfangen. Cicero wusste, wo er sich bücken musste, und wo er grad aufrecht stehen durfte. –«
    Walter hatte seinen Hut ergriffen: »Daß Cicero's Name auf der Proscriptionsliste stand und sein Kopf aus der Portechaise fiel, würde mich vielleicht nicht abhalten, wie Cicero zu handeln, aber – mein Herr Geheimrath, ich habe ein anderes Vorbild aus dem Alterhum, von dem Ihr großer Horaz gesungen hat:
Integer vitae
–«
    »
Scelerisque purus,
« fiel der Gelehrte ein, und nahm wieder eine lange Prise. »Auch ein schönes Vorbild. Gar nichts dagegen zu sagen.
Au contraire,
aber dieser
Integer vitae
war nicht verliebt.«
    Da war abermals ein zweites Geheimniß, und von den poesielosesten Lippen trocken in die Luft gesetzt, ein so still in der Brust gehütetes, kaum sich selbst gestandenes, ein so zartes Kind, daß es in dieser rauhen Luft erstarren konnte. War dieser Bücherwurm heute ein Magier?
    In dem Augenblick öffnete sich die Thür, und der Kopf der Geheimräthin blickte herein: »Ehe Sie gehen, Herr van Asten, auf ein Wörtchen.«
    Die Thür ging wieder zu. Der Blick musste eine eigenthümliche Wirkung haben. Ihr Gespräch war unterbrochen, aber auch die sonntägliche Stille des Zimmers war gestört. Der Kater hatte sich knurrend aufgerichtet, und Staub wirbelte durch den Sonnenschein. Es blieb noch eine Weile still. Es war, als ob der Gelehrte sich schämte. Dem Eindringling hätte er nicht zurufen können:
Noli turbare circulos meos!
er selbst war ja aus seinen Kreisen getreten; das machte ihn befangen.
    Walter war es auch. Vor dem alten freundlichen Manne, der mit der Wünschelruthe seinen verborgenen Schatz berührt, hätte er sprechen mögen, wie ihm zum Herzen war. Es lag schon auf der Zunge. Da war es plötzlich erstarrt vor dem stechenden Blicke, das süße Geheimniß schien ihm vergiftet, ein Nebelschauer hatte einen Mehlthau auf die Blüthen gelagert. Er besann sich und sprach schöne Worte, die nicht der Ausdruck seines Gefühls waren:
    »Seine Träume gehören nicht dem Menschen allein, es sind gaukelnde Kinder aus anderen Welten. Sie haben einen berührt, der, lieblich gaukelnd, Einlaß forderte. Aber, – auch die süßesten Träume muß der Mann verscheuchen können, wo die Pflicht gebietet. Ich glaube meinen Gönner nicht versichern zu dürfen, daß dies schöne Mädchen, dem Sie gastlich Ihr Haus

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