Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
einen Folianten in der Hand wiegte.
»Gehören Sie auch zur Kriegspartei, mein Herr van Asten?«
»Ich bin ein stiller Civilist, Herr Geheimrath,« war die Antwort.
»Wozu beschweren Sie sich denn aber da mit dem Hugo Grotius? Sein
de jure gentium
gehört doch sonst nicht zu Ihren Studien.«
Wenn der Geheimrath soweit hätte sehen können, würde er eine leichte Röthe auf des jungen Mannes Gesicht bemerkt haben.
»Nehmen Sie's nur runter,« fuhr er fort, »Sie können's auch mit nach Hause nehmen, wenn's Ihnen nicht zu schwer ist, die Edition ist nicht selten, man kann sie bei den Antiquaren bekommen. Der Montesquieu steht auch noch angeschrieben.«
Der junge Mann war von der Leiter gestiegen, den Folianten im Arm: »Wenn sie mir also erlauben –«
»Aber nehmen Sie sich in Acht, Ihr blauer Frack ist von dem Grotius ganz staubig. Der hat zwar auch mal in einer Kiste gesteckt, wenn ich mich recht entsinne, einer Bücherkiste, und da wird er noch staubiger rausgekrochen sein, aber er wollte nur in Freiheit kommen, nicht zu einer jungen schönen Demoiselle. Aber Sie wollen doch nicht der Mamsell Alltag aus dem Hugo Grotius Vorlesungen hatten? Das Kind ist zwar gescheit, aber ich zweifle doch, daß ihr die Lektüre sehr plaisant sein wird.«
Der Geheimrath war in ungewöhnlich guter Laune, der junge Mann schien außer Gewohnheit befangen. Indessen hatte er sich schnell gesammelt, während er den Staub vom Rock abklopfte.
»Herr Geheimrath sind heiterer, seit Mamsell hier ist. Ihr Haus ward belebter. Stören Sie aber die vielen Gesellschaften nicht?«
»
Au contraire!
Was so jetzt die Menschen allarmirt und auch sonst wohl bis zu mir drang, bleibt nun außer meinem Rayon. Die Herrschaften können das nun bequemer unter sich und mit meiner Frau abmachen.«
»Sollte es nie in Ihren Rayon dringen?« sagte van Asten sehr ernst.
»Wenn ich mich einschließe, das wollte ich doch mal sehen. Aber ei, ei, Herr van Asten, will die Romantik Sie nicht verlassen! Sie sehen da wieder eine Geistererscheinung.«
»Die, welche ich sehe, Herr Geheimrath, sehen Viele mit mir. Dieser Herbst wird die Fluren, wo fröhliche Saaten gereift, mit Leichen und Blut decken.«
»Sehn Sie mal,« sagte der Geheimrath, »was Sie alles sehen!« und wischte mit dem Läppchen die Dinte aus der Feder, die er dann sorgsam vor sich auf das Papier legte. Sein Gesicht bekam dabei einen immer, was man nennt glaueren Ausdruck, wie ein kluger Mann, wenn er Einen, der sich auch für klug hält, auf eine Sandbank abgesetzt zu haben glaubt. »Und diese Vielen, die mit Ihnen diese erschreckliche Geistererscheinung sehen, sind, kurios genug, dieselben, die vor Freude damals zitterten, als der Herr General Bonaparte, wie sie es nannten, die Hydra der Revolution niedergetreten hatte. Da sollten wir Andern mit ihnen hüpfen und springen vor Entzücken, denn sie sagten uns, es wäre ein Messias der neuen Weltordnung. Sehen Sie mal, wir thaten das nun nicht, denn wir entsannen uns, daß dieselben spring-und hüpflustigen jungen und alten Herren ein Zehn Jahr vorher ebenso gesprungen und gesungen hatten, als diese Hydra in Paris den Kopf erhob, und sie hatten damals auch darin einen neuen Messias und Weltbeglücker, und wer weiß was, entdeckt. Wir sprangen nicht, weil wir mit König Salomo wissen, es giebt nichts Neues unter der Sonne, aber wir ließen sie springen, weil wir wussten, sie werden schon müde werden. – Es ist Mancher müde geworden, mehr als müde. Da ich nun nicht in Verzückungen gerathen bin, nicht damals bei der ersten und nicht damals bei der zweiten Menschenbeglückung, warum soll ich denn jetzt in Ravissements des Zorns oder Patriotismus gerathen, weil diese selben Herren in ihrem Götzen nun plötzlich das Thier der Apokalypse entdeckt haben! Was kümmert mich Hannover. Im siebenjährigen Kriege waren die französischen Marschälle oft darin und brandschatzten, aber gerade nur so lange, als der große Friedrich Besseres zu thun hatte. Und wenn sie's ihm zu arg machten und er verdrießlich wurde, schickte er seinen Seydlitz oder einen Braunschweiger hinüber, und ließ sie wieder fortjagen.«
»Es sind aber andere Zeiten. Wir haben keinen Friedrich mehr, und die Konstellationen sind furchtbar, Herr Geheimrath!«
»Und der alte Lupinus weiß nichts davon! Nicht wahr?« Der Geheimrath nahm mit großem Wohlgefallen eine lange Prise. »Der Mortier, oder wie sein General heißt, hat Hannover mir nicht dir nichts besetzt, ohne uns zu
Weitere Kostenlose Bücher