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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Es thun es auch noch Andere, Johannes Müller, Herr Dedel, auch vom Prinzen weiß ich es. In ihren Symposien machen sie sich herzlich über uns lustig. Und ich verdenke es ihnen nicht. Gährt und kocht es doch auch in mir, und wenn meiner Natur die erhitzenden Getränke nicht entgegen wären, könnte ich mit ihnen Vergessenheit trinken wollen. – Sie sehen mich verwundert an. Nein, nein, ich versichere Sie, ich empfinde das ganze Unbehagen, von dem man mir erzählt, daß es die Schwelger nach ihrem Rausche fühlen.«
    Van Asten sah sie betroffen an. »Warum stürzen Sie sich denn in die Lüge, wenn Sie ihre Wirkungen kennen?« Er verschluckte es.
    »Und wenn die Leute sich auch wirklich amüsirt haben,« fuhr sie nach einer Pause fort, »wie sie versichern, worüber war es! Die in der Ecke am lustigsten schienen, lachten vielleicht über mich, über mein Bestreben, ihnen einen angenehmen Abend zu bereiten. Vielleicht über den Geheimrath, unsre Bewirthung, Einrichtung, Gott weiß worüber. Alle sind meine Feinde, Neider, und ich musste doch beim Abschied die Hand ihnen drücken, und sie versichern, wie unendlich ich mich gefreut, sie bei mir zu sehen, warum sie so schnell forteilten. Darum Embrassements, nachgewinkte Küsse, Betheuerungen, daß sie seit lange keinen so vergnügten Abend verlebt. Und wenn sie auf der Straße sind, kaum in den Wagen gestiegen, gähnen sie, wie ich gähne: Gott sei Dank, daß der langweilige Abend vorüber ist.«
    Welcher Dämon war plötzlich in die seltsame Frau gefahren! Mit der Gefallsucht, über die er nicht Richter sein wollte, hatte sie begonnen, und aus ihrem Innersten quoll heraus, was sie ihm nicht hatte sagen wollen. War er der Magnet, der ihre verborgenen Gedanken und Qualen wider ihren Willen entlockte, oder welche unsichtbare Macht zwang sie, noch eben in der geschmückten Lüge sich schaukelnd, den hässlichsten Grund der Wahrheit herauszukehren! Es war eine Wahrheit der Empfindung; dieser verkniffene Zug um den Mund, dieser böslächelnde Blick konnten nicht heucheln.
    »Es ist das Mysterium der Natur,« sagte er, »daß oft, wo wir nicht säen, wir Liebe ernten.«
    »Und doch sind Liebe, Freundschaft, Entzücken und Begeisterung nur Masken für den Egoismus. Mit ihnen will Jeder so viel für sich herauspressen, als er kann. So lange es ihm gelingt ein Vergnügen sich zu verschaffen, so lange dauert die Freundschaft, die Liebe, der Fanatismus, die er auch grade so lange für echt und wahr hält, als der Reiz dauert. Ist der hin, das Thema erschöpft, wird uns die liebste Freundin, der beste Freund gleichgültig. Anstandshalber führen wir noch eine Weile die Täuschung fort, bis wir die Puppen fallen lassen, herzlich froh, wenn ein Zufall uns trennt.«
    Damit war das Gespräch zu Ende. Statt eines eitlen geistvollen Weibes stand neben ihm eine Salzsäule. Es war eine Verwandlung, zu der sie so wenig gethan als Lots Frau zu der ihren, nur ein Naturprozeß. Es wehte ihn kühl an; er hatte nichts mehr mit ihr zu reden, und doch forderte die Convenienz, daß er nicht schweigend ging: »Wenigstens,« äußerte er, »werde die Tochter des Kriegsraths Alltag, davon sei er überzeugt, nie vergessen, was sie der Geheimräthin Lupinus verdankt.«
    »Meinen Sie!« Die Salzsäule sah ihn mit einem ihrer eigenthümlichen Blicke an, und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. »Grade so lange wird sie mich als die Schöpferin ihres Glückes enthusiastisch lieben, als sie sich in meinem Hause amüsirt und vergöttert wird. Vielleicht auch nicht einmal so lange. Nur bis sie auf eigenen Füßen steht, und von mir nichts mehr profitiren kann.«
    Er verbeugte sich: »Frau Geheimräthin haben sonst mir nichts zu befehlen?«
    »Adieu – doch! Warten Sie. Ich hatte ja einen Auftrag für Sie Richtig. – Springen Sie doch im Vorübergehen bei Alltags an. Die Kriegsraths werden sich vielleicht wundern, wenn sie von der Gesellschaft heut Abend hören und nicht eingeladen sind. Aber das geht doch nicht immer. Sie passen ja nicht.«
    »Ihre Eltern –«
    »Eben darum; nur Adelheid zu Liebe! – Wenn sie sehen, daß das Mädchen solche gewöhnliche Eltern hat!«
    »Der Vater ist doch ein geachteter Mann –«
    »Wer redet von solchen Aeußerlichkeiten. Sie passen nicht zu der gebildeten Gesellschaft. Wenn auch etwa Schadow und Hirt mit solchen Kern- und Naturmenschen sich zu unterhalten einen Spaß finden, so sind doch Andere, die daran keinen Spaß finden. Die Russische

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