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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sei.
    Die Geheimräthin machte einige Bemerkungen über die Herzogin von Kurland, daß sie sich merkwürdig konservirt habe, schöner eigentlich noch als ihre Töchter, die doch auch sehr liebenswürdig wären. Aber ihre Gedanken waren wohl nicht bei der Herzogin, noch den Gelehrten und Dichtern, die sie in ihren Bann gezogen.
    »Prinzeß Radziwill hat auch gefragt, wer denn Schiller gefeiert, als er hier war? Ebenfalls wieder Juden, Fremde, Diplomaten, einige bürgerliche Häuser.«
    »Ich habe mir Schiller doch anders gedacht,« sagte nach einer Pause die Lupinus. »Er war so schweigsam. An Ehrenbezeugungen hat es ihm doch wirklich nicht gefehlt, aber es blitzte so selten das innere Feuer auf. Ich sprach zwei Mal mit ihm, und beide Mal redete er wie ein gewöhnlicher Mensch. Ob er uns vielleicht der erhabenen Sentiments, der berauschenden Gedanken nicht werth hält, die doch bei jeder geistigen Berührung aus einem Geiste wie der seine aufsteigen, emporwirbeln müssen, denke ich, wie die Lerche in den Aether!«
    »Es ist vielleicht nicht gut, daß man die Dichter mit Lerchen vergleicht.«
    »Sie wollen sie lieber mit Nachtigallen vergleichen,« sagte die Lupinus spitz, »die aus der Nacht ihrer Einsamkeit ihre Töne schmettern lassen, wenn es ihnen eben bequem ist, eigensinnig,
qu'importe
wer sie hört.«
    »Es mag auch manches Andere ihn verstimmt haben,« sagte Walter noch ungewiß, wohin die Geheimräthin steuerte. »Ihre Majestät die Königin hätte ihn gern hierher gezogen.«
    »Meinen Sie nicht auch, ein Genius wie seiner wäre in unserem Staube, unserer Kritik, an unserer Hofluft untergegangen? In Weimar thront er in einem Tempel, hier hätte er Tempeldienste verrichten müssen. Es fehlt hier an der rechten Sonne, meinen Sie nicht auch? Und noch immer so viel Rücksichten, Bedenklichkeiten. Es sieht Einer den Andern an, wenn er in die Gesellschaft tritt, und wenn er ihn noch nicht gesehen, fragt er zuerst, ob er auch zu ihm gehört? Mein Gott! Diese Geburts- und Standesunterschiede müssten doch verschwinden, wenn die rechte Sonne des Geistes in einem Centralpunkt auf Alle schiene, gleich wie in einem Saal die Kerzen an den Seitenwänden keinen Schatten werfen, wenn ein voller Kronleuchter Alle von oben beleuchtet. So könnte ich mir das Haus der Herzogin denken. Aber sie ist nur eine passagere Erscheinung, und dann ladet sie doch auch nur eine gewisse Elite ein, es ist auch noch manches andere da, doch
passons là-dessus.
Ebenso können die Kreise der geistreichen Jüdinnen nicht dominirend werden, es stößt sich doch Mancher daran.«
    Jetzt wusste van Asten, wohin die Geheimräthin steuerte. Warum sollte er nicht in ihre Wünsche eingehen! Es war keine Sünde gegen die Wahrheit, daß er es für verdienstlich erklärte, wenn eine Dame ihr Haus als Vereinigungspunkt für die Notabilitäten der Intelligenz öffne, eine Dame, die mit klarem Verstande, Belesenheit, seiner Sensualität, und durch den Stand ihres Gatten und ihre eigene Geburt dazu wie berufen scheine.
    »Sie scherzen! Das könnte eine Jede, wenn sie wollte. Im Uebrigen, was ist es denn auch besonderes, wenn man etwas anders aussieht, als diese ehrbaren Hausfrauen, die vom Bügeln und Kinderwiegen noch echauffirt scheinen, wenn sie ihr Gesellschaftskleid angelegt haben. Denn allerdings kommt mir Manche vor, wenn sie nach dem Kuchenteller den Arm ausstreckt, als mache sie eine Bewegung, um ein Stück Wäsche über die Leine zu werfen. Und dann, lieber van Asten, Sie spielen auf meine Herkunft an. Ich bitte Sie, um Gottes Willen, nur davon nichts, daß ich von Adel bin. Ueber diese Unterscheidungen sind wir doch hinaus. Sie wissen, daß ich meinen Namen ohne Thränen einem Bürgerlichen hingeopfert habe. Lassen wir die Todten ruhen! Ja, ich will gern meine Schwäche bekennen, es ist mir manches Mal recht angenehm, ja es schmeichelt mir, wenn ich mich als den Mittelpunkt dieser heitern, von Geist und Witz funkelnden Kreise betrachte. Aber, – sie hielt einen Augenblick inne – aber, wenn sie gegangen, die Lichter ausgelöscht sind, überfällt mich doch wieder, ich weiß nicht was, ein inneres Gähnen, eine Hohlheit.«
    »Verlangen Sie von einem Spiel ein Resultat?«
    »Aber von all dem schwirrenden Geschwätz, von den Händedrücken, den zärtlichen Betheuerungen, was bleibt denn andres als – eine Lüge! Ich weiß recht gut, daß einige von den jungen Leuten, die am Tisch die Mäßigen gespielt, noch ins Weinhaus eilen, um sich zu restauriren.

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