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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Titan einen Ehrenplatz fänden.«
    »Es war, meine ich, keine üble Phrase, eine Phantasie, die mir am Morgen eingefallen war. Sie hatte sie auch ganz gut auswendig gelernt, eine Art Streckvers. – Sie trug einen Kornblumenkranz im Haar.«
    »Kornblumen! –«
    »Natürlich künstliche; die Kornblumenzeit ist ja vorüber. Sie sollte mir recht natürlich kindlich aussehen. Aber sie sprach so hölzern, ich möchte sagen gedehnt. Mir ward schon ängstlich zu Muthe, und sie war kaum in der Mitte, als die Eitelbach den Schrei ausstieß. Sie nämlich war es, die sich mit dem Hammer auf den Finger geklopft hatte. Da sprang Jean Paul vom Sopha und küsste ihr das Blut vom Finger.«
    »Was eine unangenehme Unterbrechung gab.«
    »Stellen Sie sich vor, Adelheid war nun so in Confusion, oder was war es, sie hatte den Streckvers vergessen, überreichte ihm, wie ein Bauermädchen, den Strauß und sagte: Die Blumen bleiben ja, was sie sind, auch ohne Worte.«
    »Der Dichter wird durch ein Impromptu die Verlegenheit ausgeglichen haben.«
    »Das ist es eben, er sprach so wunderschön, in lauter gewählten, ich möchte sagen selbst in Streckversen; aber sie antwortete ihm, als wäre er ein Mann wie andere, ganz offen, naiv, dreist. Es schnitt mir durch die Seele. Das Mädchen empfand so gar nichts von der Veneration. Jeder giebt sich doch Mühe, so viel er wenigstens kann, sie an den Tag zu legen.«
    »Jean Paul wird ihr verziehen haben.«
    »Ich aber nicht,« fiel die Geheimräthin, scharf ihn anblickend, ein. »Was soll er von mir denken, wenn nicht einmal meine Umgebung das Interesse an den Tag zu legen weiß, das er bei den unbedeutendsten Frauen erregt. Unbedeutend ist Adelheid nicht, es muß also doch etwas an ihren Lehrern liegen –«
    »Oder an ihrem Charakter.«
    »Den ich in diesem einen Punkt zu biegen mir erlauben werde, mein Herr van Asten. Uebrigens wird sie Gelegenheit haben, ihn in diesem Augenblick zu zeigen. Da ich heut Morgen durch Doktor Selle erfuhr, daß die Gesellschaft der Kurland ausfällt – sie ist an den Hof geladen – also Jean Paul frei ist, schickte ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren.«
    »Das junge Mädchen –«
    »Mit dem Bedienten.«
    »Aber – er logirt – was man gewöhnlich eine Kneipe nennt.«
    »Ich weiß es, unten ist eine Bierstube, auf dem Hofe eine Hufschmiede. Ist er darum weniger der Dichter?«
    »Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln und Schlafrock, die Pfeife im Munde –«
    »Empfängt er Fürstinnen, denen die Stunde und das Kostüm nicht unanständig erscheint, wenn es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen, würdig des Mannes, welcher so die wahre Frauenwürde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht sterben, beruhigen Sie sich, wenn sie sich einmal selbst überwindet. Wir müssen uns Alle überwinden, das – ist die Aufgabe unseres Lebens. Morgen aber kommen Sie etwas später zur Lektion, Herr van Asten, wir müssen ausschlafen.«
    Als er die Thür öffnen wollte, trat Adelheid ein.
    »Kommt er?« rief die Geheimräthin.
    »Er kommt!« Sie flog der Geheimräthin an den Hals, die ihre Locken streichelte und ihre Stirn küsste.
    »Ich wusste es, einem so schönen Mädchen konnte er nichts abschlagen.«
    »Ach, hätten Sie ihn gesehen, wie ich ihn sah, liebe – Mutter,« – das Wort kam etwas zögernd über die Lippen. »Mit welchem Herzklopfen ich die kleine, steile Treppe hinaufstieg, aber es war heut alles ganz anders. Wie er mir schon entgegentrat! Er ist ein herrlicher Mann! – Ach Herr van Asten, bald hätte ich Sie übersehen! O gehen Sie noch nicht fort, bleiben Sie, Sie müssen es auch hören –«
    Sie reichte ihm die Hand: »Ja, wie man sich in dem Menschen täuschen kann. Neulich kamen mir alle seine Reden so künstlich vor, und daß er das zuließ von den Damen. Mir fiel einer von den Götzen ein, von denen Sie mir aus Indien erzählt, die sich umherrollen lassen, und ihre Sklaven liegen auf der Erde. Verzeihen Sie mir, Mama, ich konnte mich kaum zurückhalten aufzulachen, er kam mir so unmännlich, albern vor, wie er auf dem Sopha ruhig die Huldigungen hinnahm, und nichts dafür gab, als blumigte Reden. Aber heut trat er mir mit einem frischen, kräftigen ›Herein!‹ entgegen, schon angekleidet. Er fasste meine Hand, als ich Ihre Bitte kurz aussprach, aber nicht so süß wie neulich, es war wie ein Mann dem andern die Hand schüttelt. Er hörte mich freundlich an, und sprach dann: ›Sagen Sie Ihrer Pflegemutter, ich nehme ihre Einladung mit Dank

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