Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Teufel mit den Reden!« sagte ein General, den grauen Schnurrbart streichend; aber es leuchtete noch Feuer aus seinen lebhaften Augen.
»Das denkt vermuthlich der Geheimrath Lupinus auch,« fuhr der Rath fort. »Warum soll er sich geniren? Es schwimmt ja Alles wieder in diesem Sumpfe süßer Gewohnheit weiter. Und wenn der Staat selbst sich auf dem Lotterbrette weiter streckt und wiegt, was darf er vom Einzelnen fordern, daß er sich aufrafft! Der König, das gebe ich Ihnen zu, wünschte es –«
»Wenn er nur wenigstens die französischen Orden nicht angenommen hätte!« rief der General, der sich auf einen Stuhl gesetzt, und presste die Brust auf der Rabatte zusammen. »Schimpf und Schande! Mag er sie der Clique austheilen, aber der preußische Ehrenrock ist beschimpft, wenn auch Militairs sie tragen müssen!«
»Das kommt auf Ansichten an!« erlaubte sich der jüngere Militair zu entgegnen. »Der feindliche General, den Napoleon in seinen Bulletins lobt, fühlt sich doch mehr geschmeichelt, als selbst durch die Orden, die ihm sein eigener Fürst ertheilt.«
»Spitzfindigkeiten, mein Herr von Eisenhauch!« fiel der General ein. » Sie gerade würden sich am meisten schämen. – Alliancen, wo sie natürlich und möglich sind, ein Entschluß, wo die Ehre gebietet, und Krieg, wo es die Existenz gilt.«
Fuchsins sagte, sich vorsichtig umblickend: »Nehmen Sie sich etwas in Acht. Man weiß in Saint Cloud, daß Sie ein militärischer Ideologe und ich weiß, daß Laforest Sie beobachten lässt. Aus Enghiens Beispiel wissen wir wenigstens, wie der neue Kaiser zu schrecken versteht.«
»Pah!« rief der General. »Wir sind nicht in Baden. Ich sage Ihnen, wer jetzt nicht herbeieilt, um am Brande mitzulöschen, ist so schlimm, als wer Feuer hinzuträgt. Wonach Bonaparte trachtet, liegt klar zu Tage. Oesterreich soll erdrückt, zermalmt werden. Ein Thor, wer jetzt noch glaubt, daß Oesterreichs Vernichtung Preußens Erhebung ist. Das Schicksal hat bestimmt, daß beide Feinde zusammen handeln. Nur darin sollen sie rivalisiren, wer am tüchtigsten losschlägt. Zaudern wir jetzt wieder –«
»So sind wir isolirt und – verloren!« rief Fuchsius.
Ein stolzer Kommandoblick des Generals traf den Sprecher: »Wer sagt das!«
»Wenn wir alle unsere Bundesgenossen von uns gestoßen –«
»Sind wir noch wir selbst.«
Der General hatte sich erhoben, die beiden Herren folgten, sie blickten sich bedeutungsvoll an.
»Ja meine Herren,« fuhr der General fort, »es wäre ein namenloses Unglück, man könnte uns der Frechheit, des Verrathes beschuldigen, wenn wir wieder die Gelegenheit entwischen lassen, wie vor sechs Jahren, aus Eigensinn oder Eigennutz. Ein Unglück ja, wenn wir nicht losschlagen, aber verloren sind wir nicht, wenn wir allein stehen.«
Die jüngeren Zuhörer senkten die Augen. Der Veteran aber fuhr mit leuchtenden Blicken und gehobener Stimme fort:
»Nein meine Herren, vielleicht fügt es das Schicksal so, damit wir noch größer einst dastehen. Sie sind kein Preuße, Herr von Eisenhauch, Herr von Fuchsius ist kein Militär, ich bin beides, und mein Herz pocht laut und froh bei dem Gedanken: wir allein ihm gegenüber! Dann Alles in die Wagschaale geworfen, und, ich sage Ihnen, wir schnellen nicht in die Luft! Braunschweig, Möllendorf, Hohenlohe, Kalkreuth! sind das nicht Namen, vor denen die Davoust und Bernadotte, und wie sie heißen, erbleichen! Einer genügte schon; denn welcher Ruhm und welche Erfahrung sind da aufgespeichert. Und nun denken Sie, alle diese Namen vor einer Armee, deren Offiziere zur Hälfte noch unter Friedrich siegten, vor graubärtigen Soldaten, die noch sein Auge anfunkelte. Und die Generale, die zum Felddienst zu alt, pflanzen ihre Fahnen auf die Mauern unserer stolzen Festungen. Denken Sie sich dies Corpus von altem Ruhm, unvergleichlicher Taktik, von preußischem Muthe beseelt, von Wuth entflammt, zehnjährige Unbilden zu rächen, und gegenüber – die zusammengestoppelten, gepreßten Schaaren der windigen Franzosen, die nur siegten, weil sie schneller sich bewegen konnten, – dies räumen wir ihnen ein, – denken Sie ihn anpreschen mit solchen Schwärmen gegen ein Quarré, ein Quarré aus der ganzen Preußischen Armee, und fragen Sie sich dann, wie viel Napoleon Bonaparte's Name wiegen, wie viel Ueberzahl er haben muß, welche taktische Künste ausreichen, damit er diese Eisenmauer durchbricht. Er wird sie nicht durchbrechen, und wir, wir wollen sehen, wie Friedrichs Geist von
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