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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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versinken müssten. Es sollte mich nicht wundern, wenn der König einen förmlichen Widerwillen gegen seinen Großoheim einsaugte, so störend wird sein Bild ihm überall vorgehalten, wo er etwas Selbsteigenes durchsetzen will.«
    »Aber mein Gott, Ihr großer König nannte sich
Rex Borusorum,
König von Preußen! Wo sind denn seine Preußen! Hat denn das Volk gar keine Stimme mehr, das ihn einst auf seinen Schildern trug? Oder war der Schmerzenslaut auf seinem Sterbebett eine Wahrheit? War der Große wirklich müde, über Sklaven zu herrschen?«
    Der Rath zuckte die Achseln: »Das ist eine Frage, mein Herr, über die wir die Antwort der Zukunft überlassen.«
    »Aber wenn keine Stimme, hat Ihr Volk auch keine Sinne mehr? Wo die Sturmglocken über den Kontinent läuten, wo der nächtliche Feuerschein von allen Seiten, der Branstgeruch, den Siebenschläfer aufwecken muß, schläft das preußische Volk allein da fort, begreift es nicht, was selbst jener verrostete General ahnt, daß es sich um Sein und Nichtsein handelt! – Wo der Geist schläft, wacht doch das Interesse. Für die Nothdurft, den Vortheil ist auch im Sklaven der Sinn rege.«
    Der Eifer des Majors verwandelte das halblaute Gespräch oft in ein lautes. Der Regierungsrath hatte, mit vorsichtigem Blicke Wache haltend, den Eifer zu dämpfen versucht. Er setzte sich jetzt dicht neben ihn:
    »Mein theuerster Freiherr, rufen Sie Alles hier an, nur nicht das Interesse. Wer soll denn wünschen, daß es anders wird? Sie befinden sich ja noch erträglich wohl, und die Kette klinkt auch noch ineinander, wenn man nicht zu stark dran reißt. Der Ertrag der großen Güter steigt, ihre adeligen Besitzer zahlen keine Steuern und ihr Werth läßt sich durch die bekannten Künste im Hypothekenbuch ins Enorme hinaufschrauben. Ein Krieg und dieser Werth sinkt. Und sollen die Junker ihn wünschen, denen im Heere, am Hofe, selbst in der Regierung die obersten Stellen nach wie vor reservirt sind! So viel Bürgerliche sich auch dazu im Laufe eines Jahrhunderts aufgeschwungen, sie blieben Ausnahmen, oder gingen da oben in die Klasse der Bevorzugten über. Sollen die Kaufleute einen Krieg wünschen, oder auch nur eine Aenderung? – Sie seufzen unter starken Abgaben, aber der Handel blüht und sie werden reich. Die übrigen Staatsdiener werden zwar kärglich bezahlt, aber pünktlich. Wenn ein Krieg die Kassen leert, woher dann die Besoldung nehmen.«
    »Ist das Ihre ganze Nation! Haben Sie nicht Künstler, Handwerker, Männer der Wissenschaft, kleinere Grundbesitzer, Bauern, die unter einer drückenden Eintheilung der Lasten seufzen?«
    »Sie seufzen wohl, aber sie sprechen nicht mit. Und wenn sie zu sprechen Lust hätten, so haben sie noch nicht zu denken gelernt. Mein Herr Major, Preußens Volkssinn steckt noch immer unter dem blauen Rocke. Und nun betrachten Sie auf den Wachtparaden die schwerfälligen, alten Offiziere, die Pontacsnasen, diese Kapitäne, die kaum die Schärpe um den Leib pressen, in den sie drei Viertel ihrer Kompagnie verschluckten. Sollen die Besserung wünschen, nach Neuerung verlangen? Ich gebe Ihnen zu, es sind nicht alle so, die Armee zählt schon viel jüngere Offiziere, voll Feuer, Begeisterung –«
    »Aber die Begeisterung ist eine Fuchtelklingenbegeisterung,« unterbrach der Major, »und ihr Herz schlägt nicht fürs Vaterland, nur für das
point d'honneur
und den
esprit de corps
–«
    »Halt, mein Herr, es giebt auch –«
    »Ich sah, ich hörte sie auf meiner Reise. Mir ward bange, wenn ich dachte, daß Preußen auf diesen Säulen allein ruht, und die Säulen sind unterspült und gelöst von der Erde, die sie tragen soll. Ich schauderte, wenn ich hörte, wie man überall vor den Soldaten die Schubläden und Thüren verschließt, als wären es nur geworbene Landsknechte, nicht des Landes Söhne. Doch sei das, mögen sie noch Leibeigene sein, nicht dem Vaterlande, ihrem Kapitäne. Aber, allmächtiger Gott, welche Sprache musste ich unter diesen hören, in den Wachtstuben der Herren Offiziere. Wäre das Deutschlands Adel, so wäre er verloren, nur schmählicher als der Frankreichs; nicht unter der Guillotine, er stürbe an einem innern fressenden Schaden. In den kleinen Städten, wenn der Bürger dem Wachtexercitium zusah, welche Urtheile! Sie gönnen es den Junkern, daß sie recht tüchtig mal von den Franzosen geklopft würden. Und das musste ich von guten Patrioten hören. Weiß man denn nichts davon hier? Ist man blind, taub, stumpf? Ist das

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