Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Beobachter interessant, für den Maler aufzufassen unmöglich. Er muß sich mit Segmenten genügen lassen.
Die Wirthin wäre gern die Sonne gewesen. Aber eine Sonne muß nicht allein scheinen und leuchten, sie muß auch wärmen. Sie war eine Frau von Verstand und selbst Witz, eine Erscheinung, die nicht ohne Eindruck blieb, aber es war nicht der Verstand und Witz, der fesselt, nicht die Erscheinung, die zugleich imponirt und anzieht. Sie durchdrang die Gespräche, sie wusste sie zu leiten, abzubrechen, aber ihnen nicht den Hauch und die Färbung zu geben, daß sie sich von selbst fortspannen. Sie war die liebenswürdige Wirthin, die für Jeden etwas Angenehmes in Bereitschaft hatte, aber es schien so spitz zugeschnitten, daß die Oekonomie dem Geschmeichelten nicht entging. Es blitzte wo sie erschien, die Konversation wogte in sanften Wellenlinien einer gewählten Sprache, aber sie stockte plötzlich, wenn sie zu anderen Kreisen sich wandte. Man fühlte sich genirt, wo sie hinzutrat, und frei, wenn sie den Rücken gedreht. Das wird freilich in allen Gesellschaftskreisen sein, wo eine an Geist und Bildung überragende Erscheinung der Unterhaltung ihr Siegel aufdrückt, die minder Gebildeten fühlen das unsichtbare Joch, die Magie des Geistes, gegen die sie, ohne sich selbst bloß zu geben, nicht rebelliren dürfen, sie fühlen sie sogar doppelt, wo der Geist sich zu ihren Vorstellungen herablässt, und sie würdigt, in ihrer Sprache zu reden. Aber diese Gesellschaft war eine ungleich andere, als die gemischte, in der wir neulich die Geheimräthin zu beobachten Gelegenheit hatten. Sie war eine gewählte. Die Geheimräthin kannte Alle, sie wußte was man vermeiden, was man andeuten dürfe, und doch traf sie es nicht, daß es den Leuten wohl ward. Eine liebenswürdige Wirthin, eine geistvolle Frau! war das allgemeine Urtheil; wohlverstanden das, was Zwei sich sagten, die sich und ihre Meinungen noch nicht kannten. Wenn sie sich verständigten, kamen einige »Aber« hinterher. »Aber sehr scharf.« – »Geistreich, sehr geistreich, aber ihr Geist schneidet.« – »
Enfin,
« sagte ein Dritter, »sie hat Alles, um eine Gesellschaft zu entzücken, nur fehlt ihr der Aplomb.«
Es waren Wandelsterne und Fixsterne. Zu jenen gehörten die Wirthin und ihre Pflegetocher. Wenn Jene mit ihrem leisen Tritt die Kreise durchwandelte, konnte man sie mit einer Geistererscheinung vergleichen. Das ist ein gewagtes Gleichniß; aber eben so gewagt ist es doch, wenn Andere Adelheid mit dem aufgehenden Morgenstern verglichen, oder gar mit einer Sonne, die Frohsinn und Lust verbreite. Wer schärfer gesehen, hätte vielleicht auch die Anstrengung des jungen Mädchens bemerkt, so zu erscheinen, wie die Pflegemutter es wünschte, immer munter, naiv, geistreich. Es war noch ein anderer weiblicher Stern von sehr verschiedener Natur, auf den wir später treffen werden. Jean Paul war noch nicht da, auch Herr von Wandel ließ noch auf sich warten. Dagegen schien an dem großen Ofen eines Nebenzimmers einer der Fixsterne zu stehen in der Person des französischen Gesandten Laforest. Der Diplomat brauchte seine Kreise sich nicht aufzusuchen, oder er wollte es nicht, aber er zog magnetisch die kleinen Lichter an sich. Er war heute sehr aufgeräumt und liebeswürdig, behauptete man. Ein Bonmot ging schon durch die Zimmer. Auf eine unbescheidene Frage: was ihm in Berlin am besten gefalle, hatte er geantwortet: die Oefen. Andere hatten schon gehört, daß er gesagt: es sei das einzige Gute, was er in Berlin gefunden. Noch Andere, er habe gesagt: in einer Stadt, wo er nichts kalt und warm gefunden, sei eine Maschine, die man nach Belieben heizen und kühlen könne, der preiswürdigste Gegenstand.
In einer Herrengruppe musterten Einige die Gesellschaft. Man wunderte sich, den Geheimrath Lupinus von der Voigtei unter den Gästen zu sehen.
»Was wundert Sie das,« sagte der Regierungsrath von Fuchsius. »Er ist völlig frei gesprochen und Alles bleibt ja beim Alten.«
»Aber sein Leben auch dasselbe. Es ist doch ein Skandal, wie ich hörte,« bemerkte ein Major noch in jüngeren Jahren; er hatte nicht den preußischen Pli.
»Wir bleiben Alle, was wir sind,« sagte aufseufzend Fuchsius. »Seit Lombard zurück, die Anstrengungen der Königin, neue Lebensgeister ins Ministerium zu bringen, gescheitert sind, ist es mit allen den guten Vorsätzen und den schönen Ansätzen vorüber. Welche treffliche Reden und Memoiren sind umsonst geschrieben.«
»Zum
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