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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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erobert; unsere Armee ist nun einmal so und nicht anders, Herr von Eisenhauch. Und so war sie gut, und ob sie dann noch gut bleiben wird, wenn Ihr Rekrutirungssystem durchginge? Um Gottes Willen keine neuen Flicken auf ein alt Kleid. Draußen Unruhe, aber Ruhe, Ruhe, Ruhe im Innern. Nichts angerührt! Friedrichs Seele steckt in den Trommeln und den Grenadiermützen so gut als in dem
point d'honneur
der Offiziere und der Kanton pflicht der Rekruten. Ich räume Ihnen ein, ein Etwas muß anders werden, das Verhältniß der Kapitäne mit Kompagnie zu den Kapitäns ohne Kompagnie. Diese sechshundert Thaler, und jene mit vielen Tausenden, mit Equipagen, Reitpferden, Fourgons, Dienerschaft. Das schadet der Disciplin. Das muß anders werden. Die Zahl der zu Beurlaubenden muß den Herrn Kompagniechefs genau bestimmt werden und kein Mann darüber.«
    »Würde diese Bestimmung genügen?«
    »Für jetzt, Herr Major, wenn wir das durchsetzen, können wir zufrieden sein. Wenn Sie mich nicht verrathen wollen, in meinen Ideen gehe ich weiter. Es wird eine Zeit kommen, wo der Kapitän nichts mit dem Traktement seiner Leute zu schaffen haben darf, wo sie nur in einem Connex reiner Disciplin zu einander stehen. So muß es einst kommen, sag ich Ihnen, aber diese Zeit erleben nicht wir, vielleicht nicht unsere Kinder. Denn – der Mensch muß nicht zu klug sein wollen, oder es ist vorüber mit aller Autorité.«
    Der General ging.
    »Eine aus lauter Preußenthum konzentrirte Säure!« sagte der Major.
    »Und doch immer noch einer der bessern,« entgegnete der Rath. »Er wird sich auch, wenn es gilt, in seiner verrosteten Rüstung noch mit einem gewissen Geschick rütteln.«
    »Was hilft's den Andern!« rief der Major, der sich in den Armstuhl mit einem Schmerzensseufzer niederwarf. – »Ist dies die Haupstadt des großen Genius, von dem das Licht nicht über sein, nein, über unser Aller Deutschland aufging! Deutschland glaubt wenigstens noch, daß es hier hell sei; es ist der Anker, an den seine letzte, schmerzliche, krampfhafte Hoffnung sich anklammert.«
    »Hat man es Ihnen draußen anders geschildert?«
    »Nein! Aber den Tand, das Spiel und die Eitelkeit hielt ich für die Maske, unter der der männliche Entschluß, die Vorbereitung zur That sich verbirgt. Der blonde Arminius ließ auch die schönen Römerinnen lange mit seinen Locken spielen. Mit dieser Selbsttäuschung reiste ich durch Ihre Provinzen. Es sieht knöchern aus, überall ausgewaschene Kleider, schlotternde Glieder, eine Maschine, die klappert. Der Geist nur kann das zusammenhalten, tröste ich mich; der Nimbus um Friedrichs Thron flimmert noch in so wunderbarem Flammenglanz von fern gesehen. Und nun hier zur Stelle! Aus Kreisen in Kreise, aus Gesellschaften in Gesellschaften werde ich geschleppt. Irgendwo hoffe ich wird ein Vorhang sich lüften, die Stimme von Sais ertönen. Aber ein Vorhang nach dem andern reißt –«
    »Und Sie sehen nur Draht, Stricke und Kulissenschieber, der Dirigent fehlt.«
    »Sie haben doch einen König, der nüchtern blieb unter den Taumelnden, der nicht blasirt ist, ein scharfes Auge hat für das Unziemliche, der nicht den
Esprit fort
spielen will, um seine Frivolität zu entschuldigen und seine Unwissenheit zu verbergen. Er will das Gute –«
    »Gewiß! Und es überkommt ihn oft ein Schauer, in mancher Morgenstunde fühlt er, es kann so nicht mehr lange gehen. Aber von wem soll er erfahren, wie es gehen muß? – Keine Stände, keine Magnaten, kaum etwas, was einem Adel ähnlich sieht. Die Prinzen, was sind sie ihm? Die Polterer verträgt er nicht, die Genies sind seiner Natur zuwider. Unsere Minister kennen Sie, unsre Kabinetsräthe noch besser. Sie leben nur in den Tag hinein, zufrieden wenn sie bis Morgen gesorgt haben. Er ist friedfertig und alle Morgen präsentiren sie ihm einen Schüssel: Ruhe! mit Maaßlieb und Vergißmeinnicht geschmückt: ›So sieht es bei uns aus, Majestät, und sehen Sie, wie es draußen aussieht, wo sie alles bessern wollten.‹«
    »Aber er ist Friedrichs Enkel!«
    »Grade der ist sein Spukbild. Wo es ihm zu arg wird, wo er darunter fahren möchte, es anders haben, sagt man ihm: das hat doch unter Friedrich bestanden und es ging ganz gut! Oder gar: Majestät, das hat Friedrich selbst eingerichtet. Dann erschrickt er; in seiner Bescheidenheit getraut er sich nicht, es besser machen zu können. Und dies heilige Gespenst wird dem jungen Fürsten grade von Denen citirt, welche vor seinem Geist in Staub und Asche

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