Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
zu zerschmettern. – Die Revolution ist überwunden und die Dummköpfe haben wieder ihr Recht.«
»Aber um Gottes Willen, es muß doch Mittel geben –«
»Ein Cäsar Borgia würde freilich in solchem Fall Mittel finden; auch haben sehr kluge Köpfe sich dadurch der Welt erhalten, die allerdings mehr von ihrem Ingenium profitirt hat, als von zehn Haudegen, welche die Weinhäuser mit ihren Radomontaden erfüllen. Indessen, wir sind keine Borgias und das neunzehnte Jahrhundert verträgt keine Stilets und Banditen.«
»Aber es muß seine edelsten Männer schützen. Es giebt auch andere Mittel, eine höhere Polizei, eine Justiz. Bovillard der Vater muß es erfahren, er muß endlich etwas thun, dem Unwesen seines Sohnes zu steuern. Der König selbst ist entsetzt über diese blutigen Raufereien –«
Der Gast hatte ihren Arm ergriffen: »Um des Himmels willen, meine gütigste Freundin, soll ich bereuen, daß ich im Vertrauen die Lippen öffnete? Es war Alles Scherz –«
»Nein, es ist Ernst.«
»Wenn Sie dem Dinge den Namen gönnen, so beschwöre ich Sie, kein Sterbenswörtchen davon! Sie werden mich verstehen. Was ist das Leben? Eine Anweisung auf Geltung. Wird dieser Wechsel zurückgewiesen, was bleibt uns davon! Wer mag der Lebensluft, in der wir nur athmen können, den Rücken kehren! Ich rechne also auf Ihre Diskretion. Jedes Wörtchen, jeder Wink könnte von meinen Feinden anders gedeutet werden. Es ist ja auch möglich, daß der junge Mann sich eines Besseren besinnt. Ach Gott, der Möglichkeiten sind so viele, daß ich es aufrichtig bereue, Sie nur einen Augenblick geängstigt zu haben. Keinenfalls darf die Vorstellung Ihre Heiterkeit stören. Meine soll es wenigstens gewiß nicht, denn ich freue mich aufrichtig, den neuen Abgott der Residenz kennen zu lernen.«
»Sie kennen Jean Paul nicht?«
»Ich begegnete ihm wohl irgendwo.«
Die Geheimräthin sah etwas verlegen vor sich hin: »Ich hoffe Sie disapprobiren nicht –«
»Was sich versteht in Credit zu setzen. Der Werth eines Staatsmannes, meine Freundin, und der eines Dichters, was sind sie an und für sich, es kommt allein ihr Courswerth in Betrachtung, gleichviel, ob der Dichter ihn sich selbst gemacht, oder Andere so gütig waren.
A propos,
da kann ich Ihnen eine Neuigkeit mittheilen. Bei Hofe ist eine lebhafte Intrigue. Nachdem es nicht gelungen Schillern hier zu fesseln, versucht man Herrn Richter uns einzuimpfen. Die Parteien sind getheilt. Ihre Majestät die Königin wünscht ihm eine Präbende zuzuwenden. Beim König fürchtet man auf Schwierigkeiten zu stoßen. Um deßwillen spielen alle Maschinen. Der Berg läuft von Diesem zu Jenem. Herr Jean Paul soll von der allgemeinen Gunst gehoben und getragen werden, bis er dem Throne so ins Auge gerückt ist, daß Seine Majestät sich zu einer Auszeichnung gleichsam gezwungen fühlen. Daher werden die Kunstgärtner bis zum Exceß um ihre seltenen Blumen geplündert, daher die Damendeputation an den neuen Frauenlob. Die Königin lüde ihn gern selbst ein, aber er muß erst gewisse Leiterstufen der Einladung durchgemacht haben, bis das in einem
petit circle
möglich ist. Man ist daher auch sehr zufrieden mit den Arrangements unserer theuren Freundin, und die Stufe der Ehre, die Sie ihm heut erweisen –«
»Mein Gott, wie kann man wissen –«
»Man weiß Alles. Aber bedenken Sie wohl, daß die Gunst der Königin nicht jedesmal zur Gunst Seiner Majestät führt. Er ist kein Freund der Abgötterei. Doch
qu'importe,
aber hüten Sie sich, daß unsere Schönheit hier, wenn sie ihm den Lorbeerkranz auf die Schläfe drückt, nicht zu tief ins Auge des Dichters sieht. Man fand zwar, er wäre in alle Huldinnen Berlins verliebt, und in seinen Entzückungen weiß er nur noch nicht, welcher er das Tuch zuwerfen soll; aber nur nicht unserer Adelheid! Ihre Natur ist zu schön, um sie mit einem Dichter zu verträumen.
Au revoir!
«
Der Legationsrath ließ die Geheimräthin in einem Meere von Gedanken. Sie passten nicht alle zu dem Fest des heutigen Abends und schienen ihre Lust etwas zu trüben.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Mars mit dem Zopf.
Eine Gesellschaft, zur Zeit als Gesellschaften die Blüthe des geistigen Lebens repräsentirten, mag man mit einem Sonnensystem vergleichen. Wenn aber viele Sonnen mit gleichen Ansprüchen da sind, kann sie uns wie ein Universum erscheinen, das, nicht fertig, noch nach einem Centralpunkt sucht. Ein solches meteorisches Wogen ist für Viele unbehaglich, für den
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