Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Leuthen auf uns herabblicktt!«
Es war etwas Hinreißendes in dem Feuer, dem der alte Kriegsmann sich überlassen. Man wusste, als Kornet hatte er unter Friedrich seine Sporen erworben, der große König selbst hatte dm Jüngling mit seiner Gnade beglückt. Es war Wahrheit in der Rede, wenn auch nur die des Glaubens.
»Aber Herr General geben mir zu, –« was der Major sagen wollte, ward vom General unterbrochen.
»Daß einige Reformen nothwendig sind. Ja, einige, Herr Major.« Er hatte ihn am Rock gefasst, und fuhr vertraulicher fort. »Die reitende Artillerie, das bedenken Sie wohl, war Friedrichs Schöpfung. In einem Lieblingskinde sehen die gescheidtesten Väter oft nicht die Fehler. Auch ein großer Mensch ist ein Mensch, und darum keinen Vorwurf auf den großen König! Ihre Konstruktion der Lafetten, ich sage es grade heraus, trotz Tempelhofs Autorität, ist admirabel; sie muß eingeführt werden, was auch der Kriegsminister opponirt. Auch Ihre Ideen über die Bespannung zeugen von dem Scharfsinn, den ich ästimire. Selbst zugeben will ich, daß in unserm Geschützgießen Verbesserungen möglich sind, aber ich denke, daß unsre Kanonen noch, wie sie sind, einen Preußischen Donner orgeln sollen, der die Franzosen an Roßbach erinnern wird. Nicht alles auf ein Mal! Gegen Ihre Propositionen hinsichts der Spontons bin ich; das sage ich Ihnen jetzt offen raus. Da Sponton-Exercitium mag immerhin andern närrisch erscheinen, Narren werden Sie in der Welt überall finden. Das Präsentiren mit dem Sponton ist das Präsentiren der Armee vor sich selbst. Der Fähnrich, der, vor die Front springend, es balancirt, jetzt senkrecht, nun verquer, macht die Honneurs vor dem Feldherrn, dem General, vor dem Bataillon, vor sich selbst, nicht vor dem Publikum. Das halten Sie fest. Der Franzos mag darüber sich moquiren, so viel er will, er hat Recht, für ihn ist's Narretheidung, weil er das nicht hat, was wir haben, – verstehen Sie mich recht – unsre Essenz, meinethalben Existenz. Das Sponton ist das Residuum des alten Rittergeistes im Preußischen Militär. Wenn ich so sagen darf, er betrachtet sich als eine geschlossene Zunft und ist das Symbolum des Respektes vor sich selbst. Und, meine Herren, schaffen Sie erst die Spontons ab, so fällt auch der Ringkragen, warum nicht auch die Schärpe und der Federhut, und wo ist das Ende!«
Fuchsins und der Major hatten sich angesehen.
»Sie wollen auch gern die Kamaschen fort haben,« fuhr der General freundlich fort. »Der Preußische Soldat ohne die Kamasche sage ich Ihnen, ist nicht mehr der Preußische Soldat. So kennen sie uns, so sollen sie uns wieder kennen lernen, anders nicht. Weiß wohl, liebster Major, was Sie in Ihrem Memoire über die Massenbewegungen sagen. Charmant exprimirt, sein beobachtet. Durch diese schnellen Evolutionen, daß er gleichsam aus einem Sack die leichtfüßigen Massen schüttelte, seinen Feind flankirte, von allen Seiten scheinbar zugleich angriff, sofort die Geworfenen durch neue Massen ersetzte, dadurch hat Bonaparte in den meisten Bataillen gesiegt. Richtig! Aber gegen welche Feinde! Sehen Sie, offenherzig gesprochen, ich admirire auch seinen Erfolg und sein Genie, aber was sagt Friedrich in seinen Memoiren? Wenn sich zwei Feldherren in langen Campagnen gegenüberstanden, lernen sie sich dermaßen kennen, daß jeder die Manier und die Finten des andern auswendig weiß. Wir sind nun in der Lage, daß wir durch bald zehn Jahr ihn aus der Ferne beobachtet haben, und ich sage Ihnen, dieses großen Taschenspielers Kunststücke kennen wir nun, er aber kennt uns nicht und kann uns nicht überraschen. Seine Chocs werden an uns abprallen, wie die Schwärme der Parther an den Römischen Triariern, und was unsere Kavallerie anlangt, so braucht Niemand in Sorge zu sein. Die Ziethen und Seydlitze werden sich finden zur
poursuite,
wenn wir einmal die Kanaille geworfen. Freilich im Laufen kommen wir ihnen nicht gleich.«
Der General glaubte gesiegt zu haben. Der Major aber sah ihn wieder fragend an: »Indessen, mein General, es waren doch auch andere Punkte –«
Der Veteran lächelte mit der Freundlichkeit eines Gönners, der einen Clienten nicht zu derb in die Grenzen des Respektes zurückweisen will.
»Ich habe das auch wohl gelesen, und mich über die Intentionen, und die wohlarrangirte Explikation gefreut. Aber, meine Herren,« – er schien auch den Rath in seine Belehrung hineinziehen zu wollen – »mit Theorien hätte Friedrich Schlesien nicht
Weitere Kostenlose Bücher