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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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solche Meisterin wird immer das Richtige treffen. Warum ich hier bin, das ist ja wohl das interessanteste Räthsel. Ich soll Emissair sein, Gott weiß von welchem Illuminaten- oder Freimaurer-Orden, obgleich diese Albernheiten längst aus der Mode sind! Ich bin geheimer Envoyé einer Macht, man weiß nur nicht welcher. Nicht wahr? Natürlich soll ich Staatsgeheimnisse ausspioniren! Ja wenn nur deren hier wären! Und da ich an der Tafel der Minister, der Prinzen speise, da ich ziemlich offen mit ihnen konferire, ist es doch nicht meine Schuld, wenn ich Dinge erfahre, an denen mir wirklich nichts gelegen ist. Ich soll ja auch wohl ein Krösus sein, und bald wieder ein Glücksritter! Soll ich nicht auch nach einer reichen Ehe mich umsehen?« – Er seufzte: »Und die Geister einer unaussprechlich geliebten Gattin schweben noch um ihren Grabeshügel! Doch genug davon. Meinetwegen lassen Sie mich einen Cagliostro sein. Im Uebrigen habe ich noch Niemand verhehlt, daß der Zustand meiner Güter in Thüringen mich hergeführt hat. Treffliche Güter, aber verwildert unter meinem Vorbesitzer. Es bedarf einer wissenschaftlichen Agrikulturbehandlung, um ihre Ertragsfähigkeit auf die Höhe zu bringen, die ich mir zum Ziele gesetzt. Ich besitze chemische Kenntnisse, wer aber kann alles wissen, wer braucht nicht des Rathes, fremder Einsicht? In Berlin finde ich einen Hermbstädt, Klaproth, Flittner. Sie sind meine Lehrer, Freunde, ich konsultire sie, experimentire mit ihnen in der Zersetzung von Kalkerde, Mergel, in allen Arten künstlicher Dungmittel. Das meine Beschäftigung hier. – Sie selbst aber sehen mich ungläubig an. Ach, ich versichere Sie, in dieser Wissenschaft allein ist Trost. Hier ist Wahrheit, hier lerne ich kennen, was sich bindet, was sich abstößt, hier ist Folgerung, Zusammenhang, hier löse ich mir Räthsel, welche der Ballsaal der Menschenwelt mit seinen tausendfachen Umhüllungen und Masken so verwirrend umhüllt, daß oft das schärfste Auge, wenn es die Wahrheit glaubt gefunden zu haben, doch nur beschämt vor einer neuen Larve steht. Vor der Chemie gilt keine Täuschung. Während sie Formen und Farben zaubert, zersetzt sie Alles in seine Urstoffe. Das Kräuseln des Dampfes in der Retorte, im Tiegel, der Geruch, den sie entwickelt, den Lichtglanz, die schimmernde Farbe auf der brodelnden Essenz ist das Leben, flüchtige Momente, während wir doch nur den Tod produciren, Schlacke, Asche, Staub, Luft in Luft. Der Tod nur ist dauerd. Leben Sie wohl.«
    »Mein Gott, was ist Ihnen? Sie betonen das Wort Tod so besonders!«
    »Mit jeder Stunde, die wir leben, bereiten wir ja den Tod. Ich hoffe also heut Abend auf Wiedersehen.«
    »Sie hoffen nur? Vorhin sagten Sie bestimmt zu. Sie erwarten heut keinen Befehl eines Prinzen mehr.«
    »Nein, wenn indeß ein Hinderniß –«
    »Sie müssen doch nicht wieder fortreisen?«
    »Ich hoffe nicht, daß es so schlimm ausfallen wird.«
    »Sie spannen meine Neugier. Jetzt müssen Sie sprechen.«
    »Es ist nur eine der Kleinigkeiten, die das Leben pikant machen. Den jungen Bovillard, den ich in der That auf meiner Reise vergessen hatte, traf ich vorhin auf der Straße, und wenn meine Physiognomik mich nicht täuscht, finde ich zu Hause das, was ich längst erwarten durfte. Indessen wird er sich doch nicht so überhasten, daß er mir nicht noch das Vergnügen gönnt, einen vergnügten Abend in Ihrer liebenswürdigen Gesellschaft zu verbringen.«
    »Allmächtiger Gott,« rief die Geheimräthin erblassend. – »Eine Herausforderung! – Und dieser Taugenichts darf sich unterstehen einen Mann wie Sie – und um die edelste Handlung –«
    »Vor seine Kugel zu fordern.«
    »Das darf nicht sein. Bester Freund, Sie kennen nicht seinen Ruf. Mit Ihrer Ehre verträgt es sich nicht –«
    »Er saß noch nicht im Zuchthause, ward nicht ertappt auf dem Volteschlagen, auch hat er seine Spielschulden, wie ich höre, noch immer bezahlt, und ein Dutzend Duelle als Cavalier bestanden; das, meine gütige Freundin, giebt dem Sohn des Geheimrath Bovillard nach den Ehrengesetzen unserer Welt das Recht, auch Bessere wie ich vor die Geschicklichkeit seines Armes zu laden, und wenn seine Kugel dies Herz durchbohrt, so versichere ich Sie, ist sein Renommee nicht schlimmer, sondern besser.«
    »Abscheulich! Wer bessert das!«
    »Ein Mirabeau hate einmal den Muth. Er sprach es aus, daß man einem Dummkopf nicht das Recht lassen dürfe, dem genialsten Mann Frankreichs mit einem Stück Blei seinen Kopf

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