Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
alle Fragen des genialen Mannes beantworten wollte.«
»Allerdings bequemer, wenn man auch Deutschland über einen Leisten scheeren könnte.«
Der Gesandte lächelte beifällig.
»Er hat ein gutes Scheermesser, wie Sie wissen, und was das übrige Deutschland betrifft, kommt es ihm auf einige Höcker mehr oder weniger nicht an. Aber warum Ihr specielles Vaterland sich noch zu Deutschland rechnet, das interessirt ihn. Diese intensiven Bande der Sprache, des Gefühls, der Poesie und Philosophie.«
»Was ihm gewiß ungleich interessanter ist, als die Situation unserer Festungen und Straßen zu erhalten.«
»Unbedenklich,« sagte der Gesandte, eine Prise nehmend, die verbergen sollte, daß er recht wohl bemerkte, wie der Rath umsonst dem Major einen Wink gab, seine Invectiven zu lassen. »Denn wenn es zum Kriege mit Preußen käme, was der Himmel verhüte und ich für unmöglich halte, so lässt der Kaiser, mein Herr, weder durch Terrain-Schwierigkeiten, noch Festungen sich aufhalten. Der Kontinent liegt vor ihm wie eine Specialkarte, er hat die Risse aller Festungen und die Kataster Ihrer Zeughäuser. Er weiß, wo er die Elbe passiren muß, um nach Berlin zu marschiren, er kennt sogar die Straßen, durch die er einrücken würde; aber Ihre Parteien, das muß ich gestehen, kennt er nicht.«
»Auch nicht wo ein solcher Beobachter ihn davon in Kenntniß setzt?«
»
Ma foi,
ich kenne sie auch nicht. Denn Sie meinen doch nicht jene unruhigen Geister, die von der ehemaligen Herrlichkeit des Reichs deklamiren, von Arminius und Wittekind und – Thusnelda und deutschem Adel, zuweilen von Freiheit, zuweilen von der Liebe zu den angestammten Herrscherhäusern, und die überall konspiriren möchten, im Namen der Religion und Tugend für ein Etwas, was nie gewesen ist! Verzeihen Sie, darüber berichte ich ihm wirklich nicht; er würde mich auslachen.«
»Sind Seine Majestät der Kaiser so scherzhaft gestimmt?«
»Er lachte wenigstens eines Tages, als Talleyrand ihn auf die gefährlichen Tendenzen dieser adligen Tugendritter aufmerksam machte. ›Soll ich mich etwa um Kommis-Voyageurs bekümmern, welche die verlegene Waare des feudalistischen Patriotismus an den Mann zu bringen suchen?‹ – Aber als Freund möchte ich Ihnen, meine Herren anrathen, wo Sie etwa einen dieser Reisenden träfen, ihn zu warnen, daß er es nicht zu arg treibt. Der Kaiser, einmal in Harnisch gebracht, versieht keinen Spaß mehr.«
Der Rath hatte die Hand des Majors rasch ergriffen, ehe dieser den Mund öffnen konnte. »Excellenz haben ganz Recht, es giebt unter uns keine Parteien, da wir Alle dasselbe wollen, das Glück unseres Vaterlandes.«
»Ganz wie in Frankreich!« sagte der Gesandte. »Wenn die Nationen sich nur verständen, so wäre die Erde ein Paradies.«
»Und Diplomaten können viel dazu beitragen.«
»Wie ich von Herrn von Laforest überzeugt bin, daß er nur Gutes und Wohlmeinendes über uns nach Paris berichtet.«
»Was könnte ich anders!
A propos,
da fällt mir ein, neulich konnte ich ihm nur Stoßseufzer berichten. Sagen Sie, was ist das für ein Weg von hier nach Tegel! Knietiefer Sand und Steine! Aus Erbarmen für meine Pferde musste ich aus dem Wagen springen.«
»Was führte Excellenz nach Tegel?«
»Sein expresser Auftrag.«
»Napoleon sollte dies unbedeutende Dorf kennen?«
»Im Kreise der Kaiserin war von der Staël die Rede gewesen, Madame Josephine suchte sie zu vertheidigen gegen den sprudelnden Zorn ihres Gemahls – unter uns, Napoleon ist darin etwas kleinlich – dabei kam man auf ihre Studien in Deutschland, auf Herrn von Goethe, der ein romantischer Poet und Minister zugleich sei, was Napoleon wieder nicht begriff, auf ein didaktisches oder dramatisches Poem desselben, Doktor Faust, auf die Illustration eines Hexensabbaths, ich glaube Walpurgisnacht, wo ein Vers vorkommt, der ja wohl heißt:
Und dennoch spukt's in Tegel.
Irgend ein Germanomane muß wohl in der kleinen Societät gewesen sein, wie dem nun sei, der Kaiser ließ sich die Worte übersetzen und erklären. Das Spuken kann er nicht leiden, er meinte, es spuke überall in Deutschland, warum in dem Orte, von dem man ihm gesagt, daß er dicht bei Berlin liegt, was das zu bedeuten habe, was Tegel sei? Kurz das Ende vom Liede, eine Anfrage an mich, ein Befehl, an Ort und Stelle zu untersuchen und zu berichten.«
»Und Sie entdeckten nur den stillen Ruhesitz des großen Gelehrten, der wohl nicht auf den Cordilleren mit Ihrem Bonpland gegen
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