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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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dem Geheimrath kochen sollte. Auch dem Johann sollte sie davon eine Tasse geben – von ihr kein Wort! – Er fragte nicht nach ihr. War sie kein menschlich Wesen? Hatte der Schreck auf sie keine Einwirkung? Hatte er sie vergessen?
    Er war fort, sie lag wieder auf dem Sopha. Ihre Stirn war so heiß, so heiß – ein kühlender Tropfen nur! Aber vor dieser Stirn tanzten Bilder in erschreckender Klarheit. Sie wusste jetzt, wer ihre Feindin war. Wen hatte Wandel hinausgeführt, wem seinen Cavalierdienst erwiesen, die gewöhnlichsten Regeln der Artigkeit gegen die Wirthin, wer diese auch gewesen, verletzend. Weil sie die Vornehmere, die Vornehmste war? O dahinter steckte mehr. Die Fürstin war es, welche unter der Maske der anspruchslosesten Holdseligkeit ihr den Abend verdorben, welche ihr auf ihrem eigenen Grund und Boden eine totale Niederlage beigebracht. Sie hatte das Fest beherrscht, sich Huldigungen darbringen lassen, durch ihr Gespräch sie selbst gefesselt, daß sie ihr Auge der Gesellschaft entzog. Dann, nachdem sie ihr durch die böse Nachricht den Todesschlag versetzt, war sie triumphirend fortgegangen. Aber nicht Zufall war es, – nein, Plan; ein weit hinausreichender Plan. Der Fürstin, die einen Kreis um sich zaubern wollte, waren die angenehmen Cirkel der Geheimräthin im Wege. Hatte sie nicht in einem langen Gespräch sie nach allen Verhältnissen, Personen ausgefragt? Wozu das? Sie wollte auskundschaften, was den Zauber dieses Kreises bilde. Was konnten die fremde, vornehme Frau sonst die Verhältnisse eines bürgerlichen Hauses in Berlin interessiren! Und jetzt wusste, kannte sie alles, und hatte vielleicht alles zerstört. – Wer würde denn noch ihre Gesellschaft besuchen? Nicht weil der König sich gegen den Dichter ausgesprochen. O nein, das konnte ihrer Societät gerade einen neuen Reiz geben, die freien muthigen Geister locken, aber vor dem Fluch des Lächerlichen flieht die Geisterwelt. Und er – sollte, könnte ihr dabei hülfreiche Hand geleistet haben! Unmöglich!
    Eine unaussprechliche Bitterkeit ergriff die Gequälte. Kann eine Frau einen Mann fordern? Was rann eine Frau, und wenn sie den Muth einer Judith und Herodias besaß, in dieser Welt der Konventionen! Ihr Haß mag glühen wie der Aetna, den Athem muß sie in sich zurück pressen, sonst verwundet sie sich selbst. Die Macht des Lächerlichen umstarrt sie wie himmelhohe Eisfirnen, die auf ihrem Spiegel nur die verzerrten Züge ihrer Wuth als Karikaturen wiedergeben. Giebt es denn keine Mittel für ein Weib, der Welt den Krieg zu erklären? Nur das kleine Spiel der Ränke, um hie und da mit giftigen Nadeln zu stechen, ihnen vergönnt! Einen Verhassten – mag eine Frau, die einen Mächtigen beherrscht, verfolgen, vernichten; wenn nun aber ihr Haß nicht an Einzelnen sich genügen lässt, wenn die Vernichtungslust ihre Adern wie ein wildes Feuer durchglüht, wenn sie die Armseligen, Gemeinen, Undankbaren von der Erde wegspülen möchte, wie Pharaonis Schaaren das rothe Meer – wenn sie fühlt, mit diesem Rachekitzel der Menschheit selbst einen Dienst zu leisten! – Sie kann nur morden im Traum!
    Sie presste ihre Hände an die heiße Stirn, als sie wieder ein Geräusch hörte. – Das war Adelheids Stimme, hell – wie ein Aufschrei. Es kam von weitem her, aber nicht weit genug, daß es von ihrem Zimmer sein konnte. Da kam ihr das Mädchen wieder in den Sinn. Sie hatte gar nicht an sie gedacht. Was war aus ihr geworden? Sie sann nach. Eine dunkle Vorstellung, daß man Hülfe! Sie brennt! gerufen. Sie durfte sich versengt haben. Von ihren Feinden war ja alles geschehen, der Sache einen Eklat zu geben. Aber der Ton kam wieder; nicht mehr ein Schrei, aber der bange tönende Schall, den die Menschenstimme annimmt, wenn etwas Ungewöhnliches uns überkommt. Sie hörte noch eine andere Stimme. Auch ein Schrei, wie wenn man Geister erblickt. Das war keiner von der Dienerschaft, auch nicht ihr Mann. Wie ein tiefes Schluchzen! Eine heftige Bewegung. Sie hörte Männertritte. An Muth fehlte es der Geheimräthin nicht. Sie ergriff den Leuchter und trat hinaus. Die Kerze warf nur ein schwaches Licht in den verwüsteten Saal. Ihr: »Wer ist da?« hallte ohne Antwort durch die Räume, aber aus dem Kabinet daneben war eine Gestalt bei ihrem Eintritt fortgeeilt. Sie schlüpfte durch die Thüre nach dem Entree. Sehen konnte sie nur einen Schatten, sie hörte das leise Klinken der Thüre draußen, sie hörte deutlichere Tritte, die auf der Treppe

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