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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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denken können.
    Sie zupfte Adelheid am Ohr: »Nimm Dich in Acht! – So verräth man sich. – Ich hoffe, Du hast Dich gegen ihn nicht verrathen? – Doch wie kam er ins Haus?« – Plötzlich stand der fremde Bediente vor ihren Augen, dessen blitzende Augen sie am Abend erschreckt. »Ich werde künftig dafür sorgen, daß man keine Verkleidungen in meinem Hause aufführt, und Du – nun das hängt von Dir ab. – Es ist spät, wir wollen zu Bett gehen.«
    Dem späten Einschlafen der Geheimräthin gingen Träume vorauf, die wir nicht begleiten. Nur einmal schrie und fuhr sie auf. Sie hatte von der Folter geträumt: ihre Glieder wurden zerschlagen. Sie befühlte ihren Arm. Sie hörte ein stilles Weinen. Die Wände sanken nieder, die ihr und Adelheids Schlafzimmer trennten. Adelheid lag auf ihrem Bett, mit den schlaflosen Augen ins Wüste starrend: »Es leidet noch Eine hier,« flüsterte der Dämon, und eine wohlthätige Wärme verbreitete sich wieder durch ihre Adern. Sie lächelte als sie einschlief.
     
Neunundzwanzigstes Kapitel.
     
Scheiden und Meiden.
    Jülli weinte, den Kopf auf den Tisch gelegt, still vor sich hin. Vor ihr lag ein kleiner Beutel mit Geld. Am Tisch stand Louis Bovillard mit untergeschlagenen Armen, den Hut auf dem Kopf, der beinahe die Decke des engen Hofstübchens berührte. Es war nichts Freundliches in der Stube, bis auf die Resedatöpfe im Fensterbrett, auf welche gerade ein durch zwei hohe Hinterhäuser sich drängender Sonnenstrahl fiel.
    »Damit willst Du mich abkaufen,« schluchzte sie.
    Er antwortete nicht.
    »Du willst verreisen, nicht wieder kommen.«
    »Ich verreise nicht,« sagte er nach einer Pause.
    »Aber Du willst mich nicht wieder sehen. Warum giebst Du mir mehr, als Du geben kannst? Dein Vater giebt Dir nichts, Du hast Schulden, ich weiß es. – Wozu brauchte ich denn soviel Geld?«
    Plötzlich war sie aufgesprungen, die Thränen brachen ihr aus den Augen, und sie stürzte mit wilder Heftigkeit ihm um den Hals. »Nein, Louis, verzeih' mir Louis, ich weiß nicht, was ich sage, Du hast mich nicht abkaufen wollen. Was hättest Du abzukaufen! Du bist die Großmuth selbst. Nur aus Mitleid, aus purem Mitleid hast Du mich aus dem Staube aufgerafft, bloß um die dumme Schmarre da am Halse. O hätte der Herr seinen spitzen Degen mir durchs Herz gestoßen, dann wären meine Schmerzen aus, und ich machte Dir nicht so viele. Du hast Recht, stoße mich fort, ich bin eine Last an Deinen Hacken. Du liebst mich nicht, Du hast mich nie geliebt. Sag's raus, grade raus, das wirkt vielleicht wie die Degenspitze – und dann ist alles gut.«
    »Mädchen, sei nicht närrisch.«
    »Närrisch bin ich nicht. Ich hab's wohl überlegt, Du hast unrecht gethan, daß Du mich hier in das Haus brachtest, wo Du selbst wohnst. Das schadet Deinem Ruf.«
    Er lachte auf: »Ich habe keinen zu verlieren.«
    »Doch! O mein Gott, ja, ich habe es selbst von den Herren gehört: Wenn er wenigstens die Schicklichkeit beobachtet hätte, das Geschöpf auswärts einzumiethen. Man kann ja nicht mehr mit Anstand über seine Schwelle.«
    »Zur Thür hinaus mit den anständigen Freunden!«
    »Sage das nicht, Louis. O wenn ich Freunde gehabt hätte, damals, einen nur wie Dich, ich wäre jetzt nicht, was ich bin. – Mein alter Vater, der blinde Konrektor, der war so gut, er hätte sich meiner erbarmt, wenn Einer ihm nur zugesprochen. Aber die Leute und die Stiefmutter! – Ach mein Herz brannte, mehr von dem Schimpf als von der Schande! – Wie sie mich in den Korbwagen packten, und die halbe Stadt darum – die höhnischen Gesichter, die Finger und die spitzen Reden: Nun kann sie mit seidenen Kleidern gehen, – nun kann sie Romane lesen! Als es zum Thor hinausrollte, wie schnitt mir's ins Herz!«
    »Kammermädchenphantasieen.«
    »Die gnädige Frau hätte es auch gut mit mir gemeint – aber – ich war noch stolz wie Du, ich wollte mich nicht ihr zu Füßen werfen. – Aus Scham stürzte ich fort ins Elend. – Louis, glaube mir, es braucht Jeder Freunde, sonst fällt er.«
    »Ich nicht mehr,« murmelte er zwischen den Lippen.
    Sie riß die Augen weit auf, sie fasste ihn krampfhaft an der Weste: »Allmächtiger Himmel, ist's das! – Als ich vorgestern in Dein Zimmer kam, – es war unrecht von mir, ich weiß es, und Du thatest recht, daß Du auffuhrst; Du packtest mich am Arm, und fragtest, so bös hab ich Dich nie sprechen hören, was ich mich unterstehe, Du stießest mich zur Thür hinaus, und schlugst sie mit einem

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