Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
überall. Aus der Thür des Speisesaals trug ein Lakai Adelheid und legte die Ohnmächtige auf ein Sopha. Brust und Schultern waren in ein nasses Tuch eingeschlagen. Ihr Musselinkleid war von den Flammen ergriffen worden. Sie hätte mit einem Druck der Hand die Flamme löschen können, aber sie hatte wie eine Bildsäule dagestanden, regungslos. Der Bediente Johann hatte eine Serviette ergriffen, aber seine Hände zitterten, die Serviette gerieth selbst in Brand. Da hatte einer der fremden Lakaien ihn fortgestoßen, und mit Tüchern, die er schon in einen Wassereimer getaucht, das Feuer erdrückt. Aber jetzt war sie ohnmächtig geworden, und der Lakai, ein kräftiger, junger Mann, hatte sie in das Entreezimmer getragen, als der Geheimrath dazu kam.
Das war das Resultat einer kurzen Untersuchung, welche der Gelehrte angestellt, und bei dem er sich, als er später in seine Arbeitsstube zurückkehrte, vollkommen beruhigte. »Jetzt muß man ihr die nassen Tücher abnehmen, sie erkältet sich sonst,« hatte er gesagt, der Lakai aber gerufen: »Man muß den Arzt holen!« und war nach der Thür gestürzt. »Das wird nicht nöthig sein,« hatte der Legationsrath Wandel gesagt, der aus der dampfenden Stube trat. »Es ist nur eine Affektion der Nerven.« Er hatte mit dem Geheimrath die nassen Tücher abgezogen und gefunden, daß keine Brandverletzung stattgefunden, selbst der Brandfleck am leichten Oberkleide war gerinfügig, die Flamme hatte nicht einmal das festere Unterkleid ergriffen. Der Legationsrath steckte das Essenzbüchschen, welches er geöffnet, wieder in die Tasche, murmelnd: »
Hydor ariston!
« Das hatte eine freundliche Falte auf die Stirn des Geheimraths gelockt. Er redete den Legationsrath lateinisch an, und dieser antwortete lateinisch. Herr von Wandel hatte eine schöne reine Aussprache, nicht ganz ciceronianisch, aber er applicirte sehr geschickt einige Feinheiten der Latinität: »Es ist nichts als eine psychische Aufregung, vielleicht Exaltation für den Dichter, vielleicht etwas anderes – – aber es geht schnell vorüber, sie wird sich von selbst erholen!« Und so geschah es, auf einige Tropfen, die er aus einem Wasserglase auf ihr Gesicht spritzte, schlug Adelheid die Augen auf. Sie erkannte die Gegenstände, athmete und machte eine Bewegung mit der Hand, daß die Herren sich entfernen möchten: »Das Uebrige wird weibliche Pflege und ein Camillenthee thun,« beruhigte der Gast den Wirth.
Der Geheimrath hatte dem Legationsrath die Hand gereicht, und den Wunsch seiner näheren Bekanntschaft ausgedrückt. Er that dies selten. Im Speisesaal grinste ihn die Verwüstung an. Es dampfte und fluthete, er musste über umgeworfene Stühle, Tische, Scherben steigen. Wenn das in seiner Studirstube passirt wäre! Der blasse Geisterschreck, den dieser Gedanke auf sein Gesicht zauberte, trieb ihn zu einer ungewohnten Thätigkeit. Er rief den Dienern, den Mägden, er legte selbst Hand mit an.
Da flog ein erstes Lächeln über die weißen Lippen der Geheimräthin, und es zuckte etwas von Leben in ihrem starren Blicke. Sie hatte bis da regungslos auf dem Canapee halb gesessen, halb gelegen, vielleicht im Gedränge von den Fortstürzenden dahin gestoßen. Das Eau de Cologne, was Lisette ihr ins Gesicht gesprengt, war ohne Wirkung geblieben. Jetzt, beim Anblick der Thätigkeit ihres Mannes kehrte das Leben zurück. Die Zunge löste sich, sie konnte sprechen, es platzte heraus wie ein Lachen: »Mit den Pantoffeln! Sie erkälten sich ja im Wasser die Füße!«
Der Geheimrath fühlte jetzt, was ihm ein Unbehagen verursacht, für das er sich keinen Grund anzugeben gewusst. Er ging im Wasser, seine Füße waren ganz naß.
»Aber es muß doch Ordnung geschafft werden, meine Liebe.« Er sah sich um.
»Dafür wird Lisette sorgen, die versteht es besser. Gehn Sie in Ihre Stube und ziehen sich andere Strümpfe an, morgen ist alles wieder wie sonst.«
»Aber – ich hoffe, die Incommodität wird Ihnen nicht schlecht bekommen?«
»Ganz und gar nicht,« sagte die Geheimräthin, die aufgestanden war. »Eine kleine Störung in den Gewohnheiten des Lebens. Weiter nichts. Morgen ist's vergessen. Ich hoffe, daß in Ihrer Stube nichts derangirt ist.«
Das hoffte der Geheimrath auch; er hatte hier nichts mehr zu thun. Die Geheimräthin ließ sich von Johann führen. Mit jedem Schritte, den sie that, ging sie fester. Der Bediente hielt sich an den Thürpfosten, als er sie in ihr Schlafzimmer gebracht. Sie maß ihn mit einem
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