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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Klagetöne abgelauscht, den Vögeln ihren Gesang, er, der die summenden Stimmen der Völker versteht, Phöbus geweihter Priester hört den Gesang der Sterne –«
    »Mamsell, der Salat!« flüsterte Johanns zitternde Stimme, aber er getraute sich nicht mehr den Napf zu tragen. Die Geheimräthin war beim Anfang der Tafel wieder umgestimmt worden, denn die Stimmung der Gesellschaft war entschieden für den Dichter, und die Lupinus theilte nicht die Besorgniß des Generals. Im Gegentheil schien ihr eine derartige Manifestation jetzt ein Ehrenpunkt. Aber Jean Paul hatte ihr bei der Tafel gar keine Aufmerksamkeit erwiesen. Er schwärmte in eigenen Gefühlen, seine Komplimente waren nur an ihre Tochter gerichtet. Sie wollte es ihn empfinden lassen, und ihre Lippen hatten sich zu einigen spitzen Worten gespitzt, die mit dem Stichwort schließen sollten, auf welches Adelheid einzufallen hätte, als diese unerwartet, gegen die Verabredung, von einem Impuls sich hinreißen ließ. Unglücklich fügte sich auch hier alles, der kranke Johann stotterte zur Linken die Worte, während einer der sogenannten »Ausgestopften«, das heißt der gemietheten Lakaien, ihr zur Rechten den Salatnapf überreichte. Es war derselbe Lakai, dessen funkelnde Augen sie vorhin erschreckt. Adelheid ergriff in ihrer Extase den Napf und statt ihn niederzustellen, hob sie ihn wie eine Opfervase empor – »und er der geweihte Priester hebt die Schale den Göttern entgegen« fuhr sie in der Rolle fort, entnommen aus irgend einer Dithyrambe der Jean Paul'schen Poesie, die wir wieder vergessen haben, vielleicht auch aus denen, die von der Geheimräthin zu diesem Zweck komponirt waren, als der »Ausgestopfte« ihr etwas zuflüsterte. Die Worte hörte man nicht, aber die Gesellschaft konnte nicht anders denken, als daß der Sinn von dem, was der Lohnlakai sprach, nichts anderes sei, als was der kranke Bediente ziemlich vernehmlich zur selben Zeit sprach: »Auf den Tisch, Mamsell, 's ist ja der Salatnapf!«
    Adelheids Stimme stockte plötzlich. Als sie nach der Seite blickte, stieß sie einen Schrei aus. Darüber entfiel ihr der Napf. Viele Arme wollten helfen. Ein Armleuchter war umgestoßen. Die Kerzen fielen auf das Tischtuch; eine streifte an den Fruchtkorb, der mit künstlichen Papierblättern ausstaffirt war. Das Papier brannte, das Tischtuch brannte. Man schlug ungeschickt zu. Man riß am Tischtuch und noch ein Leuchter fiel. Es flammte und floß, man schrie: Hülfe! Feuer! Die Stühle schlugen um, die Damen in den leichten, feuerfangenden Kleidern schrien am lautesten und stürzten fort, Herren und Bediente rissen am Tischtuch. Es brannte schon lichterloh, die Kerzen vom Kronleuchter träuften, als einige entschlossene Arme die Tischtuchenden über die gesamme Verwüstung zusammenschlugen. Der Brand war so erstickt, aber auch das Porzellan, Glaswerk, Torten und alles was zerbrechlich war, in dem Chaos zusammengeschüttet und vernichtet.
    So konnte man vermuthen, daß es hergegangen, denn der Brand war gelöscht, ehe die Nachtwächter Berlin in Alarm versetzten. Im Uebrigen wusste Niemand später über den Hergang klare Auskunft zu geben. Es lag auch in Mancher Interesse, es im Dunkeln zu belassen. Die Entschlossensten hatten schnell ihre Damen fortgerissen, um den Abschied unbekümmert, nur Garderobe und Straße galt es zu erreichen. Wenn sie dein Feuerschaden auswichen, entgingen einige Damen dem des andern Elements nicht. Die Wassereimer, mit denen die Diener ihnen entgegenstürzten, verdarben manche Toilette. Das Gedränge kam einer Verstopfung nahe. Man sprach von Ohnmachten. Die ohnmächtig Gesagten leugneten es. Am Boden gelegen wollte Niemand haben, nur vielleicht auf einem Stuhl. Viele ließen es sich nicht nehmen, daß die Wirthin wirklich im Gedränge ohnmächtig geworden. Nach ihren eigenen Aeußerungen später konnte man es glauben; sie sprach von einem Schleier, der über sie gekommen, eine wohlthätige Macht hätte die Schreckensscene vor ihr verhüllt. Es wäre allerdings eine doppelte Schreckensscene für sie gewesen, wenn sie alle Urtheile wirklich hätte hören müssen, welche in der Aufregung über sie und ihr Fest laut wurden.
    Der Lärm hatte auch den Geheimrath aus seiner Studirstube gelockt. Als er im Schlafrock und Pantoffeln in die Vorzimmer drang, war die Gesellschaft schon entflohen. Nur ein branstiger Qualm drang noch durch die Thüren, Wasserrinnen ergossen sich über die Dielen, und Wirrwarr, Gedränge und Getreibe

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