Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Billet: »Es muß eine Frau von Distinktion sein.«
Der Rittmeister war aufgesprungen. Ein Licht schien auf seiner Stirn zu leuchten, und doch glänzten die Augen nicht wie eines Liebenden, der im Mondenschein ein lieblich Bild sieht, sondern wie eines aufgeschreckten Schläfers, dem ein Gespenst an der Wand vorübergleitet;
»Donnerwetter! Schock-Schw – –! wenn die es wäre!«
Da öffnete sich die Thür und der Gefreite schritt gravitätisch auf den Wachthabenden los.
Einunddreißigstes Kapitel.
Ein Satz in die Löwenhöhle.
Der Gefreite schulterte: »Herr Lieutenant, ich rapportire.«
»Was?«
»Es schleicht ein Verdächtiger um die Wache.«
»Was hat er gethan?«
»Er hat ins Fenster geguckt, und dann ist er fort.«
»Warum ist er verdächtig?«
»Acht Zoll, Haare ohne Puder, kleiner Kopf, verfluchte Augen, und am Ellenbogen ein Loch, oder ist's ein Kalkfleck.«
»Und sonstens?«
»Der Vorpahl und Schlagebohm haben ihn schon gesehen. Zwei Mal ist er eingebracht worden auf dem Molkenmarkt. Einmal war er Bandit. – Da kommt er all wieder. Soll'n wir'n reinschmeißen, Herr Lieutenant?«
Der Kornet war ans Fenster gesprungen: »Hölle und Teufel, das ist Bovillard!«
»Was!« rief der Wachthabende, »sollte der Kerl es wagen –«
»Eine Peitsche!« schrie der Kornet, als Louis Bovillard schon in der Stube stand und mit ihm beinahe zusammenprallte.
Der Eintretende war nicht der, welcher zurückwich.
»Eine Peitsche wünschen Sie, Kornet? Für Pferde oder für Hunde? Das muß man wohl unterscheiden. Pferdegerten bekommen Sie am besten bei Conradi an der Schleusenbrücke, aber wenn Sie Hundepeitschen wollen, gehen Sie ja nicht anders, als zu Krilow, Spandauerstraße. Echtes Juchtenleder, elastisch, fein gearbeitet. Aber nehmen Sie sich in Acht, nie zu stark geschlagen. Der bestdressirte Hund knurrt, wenn man ihn mit Juchtenleder zu stark traktirt. Also merken Sie, Kornet von Wolfskehl, bei Krilow, Spandauerstraße, Eckhaus nach dem neuen Markt zu.«
Bovillard war beinahe um einen Kopf größer als der Kornet, und es schien sehr natürlich, als er ihn mit der Hand dabei auf die Schulter klopfte. Aber es war nicht natürlich, daß der Kornet es sich gefallen ließ. War's die Magie des Auges, oder was bewirkte nach solcher Ausgelassenheit solche Einschüchterung?
»Was suchen Sie hier?« trat ihm der Wachthabende entgegen.
»Männer von Ehre.«
Was dem Kornet geschehen, geschah jetzt der ganzen ehrenwerthen Versammlung. Sie schwiegen, als wär's eine elektrische Berührung, die Alle in einem Moment umgewandelt hatte! Ein Dritter würde es ein Gefühl der Geschlagenheit genannt haben. Sie wussten nicht was sie zu thun hatten. Bovillard war wie ein Geist aus der Mauer in ihre Mitte gedrungen; ein Zischeln oder selbst nur ein Verständigen durch Blicke war nicht mehr thunlich. Indessen nahm der Wachthabende das Wort:
»Sie kommen in welcher Absicht?«
»Ihren Schutz und Beistand anzusprechen.«
Die Sache war aufs Neue vollständig verrückt.
»Werden Sie von der Populace verfolgt?«
»Die Populace kümmert mich nicht.«
»Oder wollen Sie sich freiwillig in Arrest überliefern, weil Sie –«
Der Offizier hielt inne. –
»Nichts weniger als das.«
»So muß ich den Herrn auffordern, sich etwas deutlicher zu expliciren!«
»Mit dem größten Vergnügen.«
Der Wachthabende hatte, um seine Autorität aufrecht zu erhalten, sich auf den Schemel nieder gelassen, was der Arrestat und der Rittmeister schon vor ihm gethan. Auch der Kornet schien Willens, dem Beispiel zu folgen, als Bovillard mit einer raschen Schwenkung den vierten und letzten Schemel vor dem Wachthabenden niedersetzte und sich selbst darauf:
»Ich komme um einer Ehrensache halb.«
Alle sahen unwillkürlich den Sprecher, dann sich unter einander an.
»In solchen Angelegenheiten pflegt ein Kavalier nicht selbst zu kommen, sondern durch einen Vermittler, – wenn überhaupt davon die Rede sein kann,« setzte der Wachthabende trocken hinzu.
»Diesen Vermittler hoff' ich hier zu finden.«
»Donnerwetter!« brummte der Arrestat. »Glaubt der Herr da, oder wer's ist, den ich nicht kenne, daß wir hier solches Gelichters sind? Vermitteln! Pestilenz! Wer mir das anböte –«
»Ist wohl ein Mißverständniß,« sagte der Rittmeister.
»Gewiß,« fuhr Bovillard ruhig fort, »wenn die Herren an Beilegen denken. Ich will nichts beigelegt wissen, da ich vielmehr einen Gang auf Leben und Tod vorhabe. Wo man
a tempo
auf zehn
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