Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Karten nicht auf den Tisch, er trocknete die Nässe, nämlich vom Wein, der reichlich floß, mit dem Aermel ab, und legte sie sorgfältig zusammen: »Rittmeister, ein andermal bin ich zur Revanche bereit.«
»Die hat Dohleneck nicht nöthig. Wer so viel Glück in der Liebe hat, hat's nicht im Spiel.«
Es prustete unter den Anwesenden auf, der Kornet wollte sich überschlagen.
»Herr Bruder, Sie haben Unrecht,« sagte der Wachthabende, als eine Wolke auf der immer heiteren Stirn des Rittmeisters sich zusammenzog, »die Geschichte mit der Tänzerin noch immer als eine particulaire zu betrachten. Sie ist eine Korpsangelenheit.«
»Eine verflucht kniffliche Geschichte, erinnre ich mich,« sagte der Arrestat, »sie kam ja bei allen Offizierkorps zur Sprache. Die Meinungen waren sehr getheilt.«
»Kinder!« rief der Rittmeister. »Ueber die Sache ist längst Gras gewachsen. Lasst die Todten ruhen.«
»Den Teufel auch,« rief der Wachthabende. »Der Louis Bovillard ist noch lebendig, und wie! Die Sache muß noch mal zu Ende kommen.«
»Die Hetzpeitsche!« jubelte der Kornet.
»Man wäre auch schon einig darüber geworden, wenn nicht –«
»Der Vater wäre.«
»Der sollte uns nicht geniren. Wenn man nur wüsste, ob er nicht doch ein Edelmann ist?«
»Das müssten ja die Listen der Refugiés ergeben.«
»Sind nachgeschlagen, so weit wir zukonnten; da muß sich der Alte, oder Lombard zwischen gelegt haben, und unsre fanden verschlossene Schränke. Zwei verschiedene ältere Listen hatten wir nachgesehen. Zu der einen war ein Pierre Bovillard aufgeführt, mit dem Zusatz
confiseur;
in der andern ein
Sieur Pierre Bertolet Fulcrand de Bovillard, maître de Cerisé.
Da standen wir nun am Berge. Der Obrist wollte es mal unter der Hand von Lombard erfahren, der Fuchs musste aber Lunte riechen, und antwortet: Alle Refugiés stammten direkt von Adam, und alle unsere Väter wären einmal Perrückenmacher gewesen.«
»Ein Skandal!« Der Arrestat spuckte.
»Aber kriegen wir's raus, daß er vom Konditor ist –«
»Die Hetzpeitsche!« jubelte der Kornet. »Ich habe ein paar Bursche aus der Neumark, die wissen sie zu appliziren. So halb polnische Rasse. Haben's an ihrem eigenen Rücken gelernt, und theilen herzlich gern Anderen ihre Erfahrung mit.«
»
Modération!
meine Herren Brüder!« sagte der Rittmeister aufstehend. »Wenn Einer von uns den Bovillard vor die Klinge fordern könnte,
tant mieux,
von Herzen gern, so wäre der Geschichte mit einem Mal der Kopf abgeschnitten. Bis dahin aber – vergessen Sie nicht, daß es anders ist, als es war –«
»Muß wieder werden, wie's war!« trumpfte der Arrestat mit der Faust auf den Tisch. »Wenn sie uns die Fuchtelklinge nehmen, ist's mit der Disziplin aus. Aber kommt noch mehr eingeschobene Canaille in die Armee, Adieu dann
esprit de corps,
Adieu Friedrichs Geist, Adieu Preußens Ehre.«
Eine Ordonnanz überbrachte ein Rosabillet, mit Vergißmeinnicht sauber verschlungen; es schien ein Spott auf die dampfende Wachtstube: »Herrn Rittmeister Stier von Dohleneck eigenhändig zu übergeben.«
Der Empfänger musste es an das trübbrennende Talglicht halten, um in dem Tabaksrauch die feingekritzelte Adresse zu lesen: »Von wem?«
»Ein Frauenzimmer brachte es. Sie wollte aber nicht bleiben.«
»Ein Rendez-vous! – Warum ist sie nicht selbst gekommen, das liebe Kind? – Kann nicht mal abwarten, bis er von der Wache zurück ist.«
Der Rittmeister hörte nicht auf die Raillerien. »Hier ist's zu dunkel. Herr Bruder von Horstenbock erlauben wohl, daß ich's bei ihm am Fenster lese.« Ohne eine Antwort abzuwarten, war er in die daran stoßende Kammer getreten, die Thür hinter sich zuwerfend.
»Vielleicht von der Jenny!« rief der Kornet. »Sie hat Reue gekriegt, und ist zurück.«
Der Arrestat fragte nach dem eigentlichen Zusammenhang der Geschichte, die ihrer Zeit so viel zu reden gemacht. Er hatte damals in der Provinz gestanden und nur Widersprechendes darüber gehört. Dohleneck hörte jetzt nicht zu, es sei also kein Grund hinterm Berge zu halten.
»Herr von Dohleneck war nur unser Deputirter,« sagte der Wachthabende, »es ist daher thöricht, wenn er sich die Sache persönlich zu Herzen nimmt. Das Persönliche verschwand bei der Sache gänzlich und er war nur der Vertreter für das Allgemeine. Wie der Prinz zuletzt mit dem Blitzmädchen stand, weiß jedes Kind. Ob er aber wirklich so vernarrt war, wie er vorgab, das weiß der Himmel. Eines Abends beim Champagner
Weitere Kostenlose Bücher