Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Druckerschwärze, Zeitungen, wenn sie nur da sind um Räthsel und Anekdoten zu drucken. Das wäre das Mittel um Blitze –«
»Sie vergessen –«
»Die für die Gebildeten schreiben! Ins Volk die Blitze geschleudert! Das gilt es. Haß, Grimm muß die Massen durchwühlen, Rachewuth zum Opfermuth werden. Erfinde man Greuelgeschichten, wenn die wirklichen noch nicht zünden, vom Franzosen-Uebermuth, von Schande und Schändungen, Erpressungen, Hohn und Höllenlust; diese Dichtung ist heilig, es gilt ja das Volk, nicht uns. Ihm sein Alles zu retten, seine Sitte, Sprache, Geschichte, selbst sein eigenes Leben, seine Zukunft. Denn alles das steht auf dem Spiel, nicht wenn wir geschlagen werden, wenn wir nicht schlagen. Wir gehn unter in uns, und vor uns selbst. Wem dies Schrecklichste der Schrecken klar ist, der kennt keine Rücksichten mehr.«
Während Fuchsius auf der Straße seinen Freund bitten musste, sich zu mäßigen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, stand Walter van Asten vor dem Minister. Wenn er mit Feuer gekommen war, verloderte es vor dem aufrechten Mann, der ohne eine Miene zu verziehen seine Anrede angehört hatte. Er war ins Stocken gerathen, er hatte wenigstens nicht das gesagt, nicht alles, was noch auf der Schwelle zum Hotel, noch im Vorzimmer in seiner Brust, ein wohlgeordneter Strom der Ueberzeugung, fertig lag.
»Was wollen Sie eigentlich?« sagte der Minister.
»Ich habe es in der Druckschrift, welche ich meiner ehrfurchtsvollen Bitte um diese Audienz beilegte, dargelegt.«
»Ich lese nichts Gedrucktes,« sagte der Minister.
Es war ein kalter Blitzschlag. Aber er zündete in Walters Brust. Eine Pause, dann verbeugte er sich:
»So bitte ich um Verzeihung, daß ich an die unrechte Stelle mich wandte.«
Walter hatte übersehen, daß der Olymp, aus dessen Wolken der Blitz kam, seine Stirn nicht kräuselte. Auch nach dieser Antwort blieb er unbeweglich. Er gab nicht das Zeichen zur Entfernung. Nach einer neuen Pause kam aus denselben Lippen dieselbe Frage:
»Was wollen Sie eigentlich?«
»Jetzt nur meine Dreistigkeit bereuen.«
»Sie sind der Sohn von van Asten und Compagnie?«
»Zur Compagnie gehöre ich nicht.«
»Ein respektables Haus. Macht nur in Geschäften, die es versteht.«
Abermals eine Pause, und noch kein Zeichen der Entlassung. Aber der Olymp bewegte sich. Die Hände auf dem Rücken, ging der Minister einige Mal auf und ab:
»Der Tausend noch mal, wie kommen Sie denn zu dem Zeug!«
Also hatte er sich doch vortragen lassen, von Jemand, der Gedrucktes las. Der Schluß war richtig, und Waltern, ich sage nicht der Muth, aber die Lust zurückgekehrt:
»Weil ich in Euer Excellenz den Mann erkannte, welcher durch die That dem, was nothwendig wird, vorausgekommen ist. Sie sind es, der mit seinen Bauern sich gesetzt hat, der ihnen Freiheit, Eigenthum zurückgab, Sie der erste, der dies glänzende Beispiel –«
»Ach also darum!« unterbrach der Minister. »Ich glaubte von wegen Ihres Vaters –«
»Nein, weil Excellenz erkannt, wo uns der Schuh drückt, weil Excellenz erkannt, daß diese Säule, auf welcher der germanische Staat ruht, der Bauernstand, kein Helotenstand länger bleiben darf –«
»Ja, ja, ja, also darum!« wiederholte der Minister ihn unterbrechend, und nahm eine Prise, vielleicht ein Zeichen der Zufriedenheit, jedenfalls eines, daß er fürs erste nichts weiter hören wollte. – »Was geht Sie denn der Bauernstand an? Sie haben doch keine Güter.«
»Erlauben Sie mir zu fragen, was ging er Excellenz an –«
»Weil meine Bauern faules Volk sind, weil der Meier sie aus dem Kruge treiben musste, weil mein Inspektor gut rechnen kann, und mir wie's Ein mal Eins bewies, daß die Frohnarbeit uns theurer zu stehen kam, als der Tagelohn, weil ich meine Aecker durch die Bauernäcker arrondirte, die sie mir als Abkaufssumme hergaben, weil ich ein guter Landwirth bin, und sie zweimal besser nutze als sie, weil ein großer Complex sich besser bewirthschaftet als ein kleiner. Darum mein junger Herr –«
»Und wenn auch nur diese, gelten diese Gründe nicht für Alle!«
»Was gehn mich die Andern an! Fege Jeder vor seiner Thür, und wer sich im Mist betten will, warum soll ich's hindern!«
Walters Brust hob, seine Lippen öffneten sich, der vorhin unterdrückte Strom der Rede floß heraus in kurzen, schlagenden Sätzen, und die Excellenz hatte die Güte ihn nicht zu unterbrechen. Sie beschäftigte sich, einen Fleck auf ihrer Emaildose abzuwischen. Er hatte
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