Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Aktenstücke, denn es ward nichts geschrieben, logischer Schluß: sie können nicht abgeschrieben werden.
Pro secundo
haben wir keine Kanzlei, was nicht ist kann keine Indiskretion begehen,
pro tertio
würde eine solche Untersuchung den Verdacht der Indiskretion auf ein oder das andere Mitglied unsres hochverehrten Kollegii werfen, was wir aus besonderen und höheren Rücksichten vermeiden müssen. Herr Kollege von Wandel wünscht uns seine Ansicht mitzutheilen.«
»Was das Faktum anlangt,« sagte der Legationsrath, »so muß ich dem geehrten Kollegen von St. Real beistimmen. Laforest weiß es; aber was folgt daraus? – Laforest weiß Alles. Warum sollte er dies nicht wissen. Wer es ihm zuträgt, –«
»Vermuthlich der Champagnergeist,« rief Bovillard, sein Glas füllend, daß der Schaum über den Rand stieg. »Landsleute plaudern gern weiter!«
»Aber es schadet unserer Sache nichts. Diplomatische Berichte bleiben versiegelte Geheimnisse, und wenn die Archive sich für Historiker lüften, kümmert es keinen Lebendigen mehr. Ferner was Laforest weiß, weiß er nur für Napoleon oder Talleyrand. Beide werden unsre Pläne nicht kontrecarriren. Endlich wenn das Geheimniß auf dem Wege nach Paris auch hier durchgeschwitzt hätte, was ich nicht in Abrede stellen will, ist die Sache doch zu pikant, als daß der ehrliche Finder den Verräther spielen sollte. Aus diesen Gründen, meine Herrn, erblicke ich in dem hingestellten Faktum weder Gefahr, noch etwas Hinderliches, und stimme,
salve meliori,
unmaßgeblich über den Einwand hinweg zu gehen.«
Der Präsident blickte, die Feder in der Hand, sich um. Es war einstimmiges Conclusum. Der Wein fing an die Zunge zu lösen, und man warf den Curialstyl mit den Akten in den Winkel.
»Sie also
tout à fait ébloui?
« rief Bovillard nach dem Bericht des Legationsraths.
Der Kammerherr anerkannte mit gebührenden Lobsprüchen die Diligenz, welche Herr von Wandel bewiesen, bestand indeß darauf, daß die Baronin, wenn die Schwadron vorübermaschirte, sich jetzt ostensibler am Fenster zeige. Es sei zuviel gefordert, wenn sein Pflegebefohlener, der Amandus, sich jedes Mal einbilden solle, daß der Kopf der Amanda hinter Balsaminentöpfen versteckt sei. Die Imaginationskraft eines Kavallerieoffiziers sei aber nicht die eines Poeten; er müsste ihn also dann und wann leibhaftig sehen, um im Glauben zu verharren.
»Unser Operationsplan aber forderte Bedacht,« entgegnete Wandel. »Wir mussten als Psychologen zu Werke gehen. Wer ist schwerer zu erobern? Sie oder Er? Das war die Frage. Es galt eine Bildsäule zur Galathee zu erweichen, und aus der Galathee eine Potiphar zu machen. Haben wir nur erst eine Madame Potiphar, so ist doch keine Sorge darum, daß ein Gardekavallerie-Offizier den Joseph spielen sollte. Diese zweite Eroberung machte sich vielmehr dann von selbst –
A propos,
warum ich Herrn Kammerhern so oft ersucht, der Amandus, Ihr Client, darf nicht mehr den Knebelbart streichen.«
Der Kammerherr versprach, daß es unterbleiben solle.
»Sie haben auch gewiß schon eine kleine Entrevue
in petto?
« sagte Bovillard. »Sie etwa im Negligee von ihm überrascht!«
»Wer setzt auf eine Karte sein Ganzes, wenn er im Gewinnen ist! Wer spielt überhaupt ein gewagtes Spiel, wenn er durch arithmetische Progressionen zum Ziele kommen muß! Der beste Zauber, meine Herren, ist, der sich selbst wirkt, auf organischem Wege. Neugier und Eitelkeit operiren wunderbar in der Psyche des Weibes. Die gespannte Erwartung entzündet die Phantasie. Um zu erfahren, ob es so sei, wie ich angab, gab sie sich alle Mühe, den Amandus zu beobachten, und entdeckte nun mit weiblichem Scharfsinn weit mehr, als ein Mann mit seiner roheren Wahrnehmungsgabe nur erfinden kann.«
»Und die Uhr geht fort?«
»Eine schlechte, die man jede Stunde anstoßen muß. Sie geht so normal, daß ich alle Intermezzos und gewaltsame oder nur freundliche Hülfe von draußen wegwünsche.«
Bovillard wiegte sich, beide Hände in den Seitentaschen, behaglich im Stuhl, und fixirte schlau den Redner:
»Wenn der Schalk ihm nicht im Nacken säße! Allen Respekt für seine Intuitionen in die Psyche des Weibes, aber er weiß eben so gut, wie man Weiber durch Weiber behandelt, und uns möchte er doch einbilden, daß wir seine Agentinnen nicht kennen. In der Jägerstraße hängt freilich ihr Agenturschild nicht heraus, aber die Zwirnsfäden sieht man doch, mit denen sie ihre Mirakel weben. Ueberhaupt,
cher ami,
wozu denn diese
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