Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Mystères! Ist gar nicht Ihr Profit, Legationsrath. An Talismänner und Wünschelruthen glauben wir hier nicht, aber je mehr zweibeinige Maschinen Einer für sich in Bewegung zu setzen versteht, ein um so größerer Wunderthäter wird er für uns.«
Auf Wandels Stirn lagerte sich eine officiöse Falte und die Augenbrauen drückten sich zusammen:
»Prätendire ich, ein St. Germain zu sein! Aber der ausgezeichneten Frau thun Sie unrecht. Eine Dame, deren Verstand in so andern höheren Regionen schweift, würde sich nie zu einer mesquinen Intrigue bequemen; Verzeihung, meine Herren, aber nennen wir die Sache bei ihrem Namen, man muß seine Menschen kennen. Ich hätte nicht einmal gewagt, ihr von der Sache zu sprechen. Meine Herren, ich wiederhole es, Sie kennen diese seltene Frau nicht.«
»Holla! Also offen ausgesprochen ihr Ritter. Und uns den Handschuh hingeworfen! Kennen Sie sie denn?«
Nach einigem Schweigen antwortete Wandel: »Nein! – Es giebt Erscheinungen, wo der Augenaufschlag die Seele uns erschließt, andere, wo der geschickteste Psychologe sein Senkblei umsonst gebraucht. Ich fühle nur, daß dies Seelengewebe aus so zarten ätherischen Fasern zusammengesetzt ist, daß die leiseste Berührung unharmonischer Töne es zusammenschrecken macht; und hinwiederum ist es von einer Elasticität, daß ein rauher Anstoß diese Fühlfäden zu hartem Stahl verwandelt.«
»Lassen Sie sich nicht erdrücken von dem Stahl. Heim sagte mal, in der Frau wäre eine cachirte Sinnlichkeit. Gegen die Sinnlichkeit habe ich nichts, aber das Cachirte liebe ich nicht.«
»Diese rohen Aerzte, die die Schwungfedern der Seele nur empirisch betasten! Da wollen sie ihren Mann mit
Assa foetida
und
Valeriana
behandeln, und seine Krankheit ist rein eine des Gemüthes. Der Geheimrath lebte längst nicht mehr, wenn sie nicht eine geistige Atmosphäre um ihn zu bereiten wüsste, worin er athmet.«
»So schlimm stände es mit dem Bücherwurm?«
»Sie sahen ja auch wohl ihren Bedienten, einen Moribundus. Was quält sie sich ab, diesen Menschen wieder auf die Beine zu bringen! Ich gebe Ihnen zu, es ist vielleicht ein krankhafter Instinkt, der Natur in den Arm greifen zu wollen, aber sie will's sie muß probiren. Die Doktoren haben ihn längst aufgegeben, er ist ja nur ein Bedienter, aber denken Sie – neulich fand ich sie, wie sie von dem theuren Lebensäther, den Herr Flittner präparirt, dem Menschen einflößte. Mein Gott, sagte ich, der Aether ist immer nur ein Palliativ, er lässt die Lebensflamme noch einmal auflodern, aber um so schneller verzehrt sie. Man wendet ihn bei hohen Personen an, wo die letzten Momente kostbar sind; aber dieser Bediente, was kommt es da auf eine Spanne Leben und Bewusstsein an. Er kann Ihnen unter den Hände zusammensinken. Was würden Sie dann sagen? – Ich kann Ihnen das wunderbare Lächeln nicht beschreiben, mit dem sie anwortete: Ich habe mir dann selbst genügt. So ist sie –«
»Eine Schwärmerin! Gehn Sie mir vom Leibe mit Ihrem Lebensäther.«
»Ich gebe Ihnen gewissermaßen recht, Herr von Bovillard. Das Verhalten zu ihrem Pflegekind könnten strenge Moralisten auch eine Schwärmerei nennen. Sie opfert sich ihm ganz und warum? und wie wird es ihr belohnt! Sie wissen von der
soit disant
Verlobung mit dem jungen Schulmeister. Eine andere Frau würde außer sich sein. Welche Pläne sind ihr vereitelt. Sie lächelt als Philosophin.«
»Es giebt Personen, auf die alles Mißgeschick zusammenstürmt,« fuhr er, den Kopf schüttelnd, nach einer Pause fort, wo die Andern geschwiegen; der Abstecher, in welchem der Legationsrath sich so zu gefallen schien, kam Beiden ungelegen. »Der Vater des Lehrers, der alte van Asten, brummt über die Sache, und ist sogar auf die Geheimräthin ungehalten.«
Bovillard fiel ein: »Die Ehrbarkeit seines alten Hauses fühlt sich touchirt. Was ist natürlicher, er sah sie mal aus einem andern Hause kommen. Um das Renommée eines Hauses und die Ehrbarkeit ist's doch eine köstliche Sache! Was macht der Alte für Geschäfte damit, mit dem verräucherten Steinhaufen in der Spandauerstraße, mit dem glatt gepuderten Kopfe, der Catomiene, die sich nie verzieht, auch nicht, wenn er das große Loos gewinnt, mit seinen rindsledernen Schuhen, die schon eine Viertelmeile weit knarren! Das ist ein Respekt auf dem Markte, an der Börse, wenn der alte van Asten mit seinem Bambusstocke heranhustet. Und das nennt die Kanaille nicht Diplomatie.«
Der Geheimrath schien vergnügt, von
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