Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
hässlicher Eklat!« rief der Kammerherr.
»Oder er steigt zu ihr ein. Der Nachtwächter entdeckt die Leiter, Lärm wird gemacht, man sucht nach Dieben.«
»Wünschen Sie, daß er mit Madame's Bewilligung eingestiegen ist?« fragte Wandel.
»Besser nicht. Nein, er muß es in toller Leidenschaft thun. Sie muß außer sich sein. Man kann sie ja vorher wieder ein Bischen gegen ihn eingenommen haben. Sie wird empört, daß er ihren Ruf aufs Spiel setzt. In tugendhafter Entrüstung befiehlt sie ihm, sich nie wieder vor ihr sehen zu lassen. Er stürzt ihr zu Füßen, hilft nichts, er muß wieder zum Fenster raus. – Da fehlt die Leiter, der Lärm geht los. Denken Sie sich die pikante Situation! Sie in Zorn, er in Verzweiflung. Je größer die Gefahr, je näher die Tritte, so mehr schwindet ihr Zorn, das Mitleid siegt, das Bekenntniß ihrer Liebe platzt heraus. –«
»Und? –«
»Zur Zärtlichkeit ist da nicht Zeit. Immer Aufschub. Die Polizei schlägt an die Thür. Sie muß ihn verstecken – in den Kleiderschrank.«
»Da kriegen Sie den Rittmeister nicht mehr rein!« lächelte St. Real.
»Es wird sich ja ein Versteck finden. Lassen Sie ihn auf den Boden springen, aufs Dach klettern.«
»Und! – Er muß doch auch vom Dach wieder herunter. Ich meine, was das Ende vom Liede sein soll?«
»Kommt Zeit, kommt Rath, Legationsrath; schlagen Sie einen alten Roman nach. Vom Dach werden wir ihn nicht fallen lassen.«
»Mit einem Worte, verlangen Sie eine Entführung oder nur –«
»Prächtig! eine Entführung. Göttermensch, Sie stehlen mir's aus der Seele. Wie lange ist in Berlin Keine entführt worden. Das giebt ein Gerede, Kinder, einen Spaß! Ich will selbst die Postrelais bezahlen, mit Seegebarth sprechen, die schnellsten Postpferde sollen sie haben.«
»St. Real schüttelte den Kopf: ›Alles sehr schön. Wer soll sie aber verfolgen?‹«
»Nun, Ihr Mann!«
Kaum war es über die Lippen, als er selbst in das stille Gelächter der Andern einstimmen musste.
»Er lacht sich vor Vergnügen todt, wenn er's hört.«
Es war ein unerwarteter Querstrich.
Bovillard riß die gekreuzten Arme auseinander, mit denen er eine Weile vor sich sinnend gesessen. »Er thut's doch vielleicht!«
»Der Baron! Er schämte sich in den Tod, daß man ihn für eifersüchtig hält.«
»Wer spricht von Eifersucht, St. Real! Neunzigtausend Thaler gehen ihm durch. Kann er neunzigtausend Thaler mir nichts dir nichts über die Grenze lassen!«
»Neunzigtausend Thaler,« wiederholte der Legationsrath.
»Sie haben freilich getrennte Gütergemeinschaft,« sagte der Kammerherr. »Ihn schätzt man eben so hoch.«
»Hundertachtzigtausend Thaler unter Brüdern, meine Herren,« fuhr Bovillard fort, »die zerreißen wir. Bedenken Sie das wohl.«
»Hundertachtzigtausend Thaler!« wiederholte der Legationsrath.
»Was so ernsthaft, Wandel?«
»Die Sache ist es. Er müsste sich nach dem Eklat scheiden lassen, sie würde den Rittmeister heirathen, und wir verschaffen ihm eine Frau mit neunzigtausend Thalern. Meine Herren, Sie räumen mir ein, daß die Sache dadurch ein ganz anderes Fundament gewinnt. Es ist kein Divertissement mehr, es wird zu einem reinen Geschäft, und wir müssten uns fragen – das heißt, ich bitte Sie, sich darüber zu entscheiden, welche Raison Sie haben, den Herrn von Dohleneck zu einem reichen Mann zu machen?«
»Raison! Pah, was kommt's drauf an! Und hab' ich keine! Der Rittmeister hat sich nobel gegen meinen Taugenichts benommen. Blutvergießen verhindert. Sie auch, Legationsrath. Sollen Sie sie entführen? Hätte nichts dagegen. Neunzigtausend Thaler, wir sind ja in einer generösen Laune und er hat Schulden wie Haare auf dem Kopfe.«
Die vierte Flasche war entkorkt und die Gesicher leuchteten. »Handeln wir wie die Vorsehung, welche die Güter dieser Welt ausgleicht. Angestoßen auf den großen Gedanken, Freunde! Für die Menschheit –«
»Das heißt für Stiers Gläubiger.«
»Das Gefühl uneigennützigen Handelns für die Zwecke der Humanität stärke uns. Reine Liebe edler Seelen, neunzigtausend Thaler in ersten Hypotheken und schlesischen Pfandbriefen und eine wunderschöne Frau und dumm! Was Götter selbst beneiden könnten, wir schenken's einem verschuldeten Kavallerieoffizier.«
Der Legationsrath stimmte nicht in die Ausgelassenheit: »Sie zerstören Ihre eigenen Beschlüsse, wenn Sie zu hastig losgehen.«
»Legationsrath, ein edler Entschluß darf nicht Runzeln bekommen.«
»Aber ein Witz nicht zur
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