Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
akkompagnirte ihre Empfindungen. Der Erzherzog musste Lombard gesehen haben, und mit einer geschickten und raschen Wendung bog er, kurz vor seinem Zusammentreffen, dem Hinderniß aus. »
Parbleu!
Erlaucht, steht er nicht da wie eine Salzsäule?«
»Lombard verblüfft,
ô c'est pour rire!
«
»Er recolligirt sich schon.«
»Der rechte Mann um
bonne mine au mauvais jeu
zu machen. Aber sehen Sie Rücheln dort an der Ecke. Wie ein steinerner Roland, und ein Gesicht, als hätte er in eine bittere Citrone gebissen.«
»Das ist schlimm, wenn Rüchel nicht zufrieden ist.«
»Wie sollte er es sein, gnädigste Frau, wenn Blücher vor ihm triumphirt!«
»
Ah, Monsieur de Bovillard!
« rief die Fürstin mit holdseliger Stimme, über die Fensterbrüstung gebeugt. » Den !« Die Kavaliere sahen sich verwundert an. »Er kommt wahrhaftig herauf.«
»Meine Herren, von meinen Freunden erfahre ich nur, was ich weiß, an unsere Feinde müssen wir uns wenden, wenn wir lernen wollen,« entgegnete die Fürstin rasch umgewandt, während der Mann, welchem die Bemerkung galt, schon die Treppe herauf stieg: »
Tout à, vos ordre, ma princesse!
« keuchte der Athemlose sich tief verneigend.
»Wer ist beim König?«
»Haugwitz, wie Sie sehen, promenirt mit dem Erzherzog. Voß geht in der Antichambre verdrießlich umher, und sagt zu den Einen Ja, zu den Andern Nein. Hoym hat nur Augen für die Königin; er scheint im Vertrauen und wartet auf ihre Winke. Schulenburg und Angern unterhalten sich mit den Adjutanten über die Viehzucht in der Krim. Köckeritz sagt zu Jedem, es werde Alles gut werden, wenn man nur ruhig bleibt. Wittgenstein hat ein Paar vornehme Russen am Arm und zischelte ihnen die geheime Geschichte einiger Hofdamen zu. Zur Radziwill war Alexander sehr zuvorkommend. Sie ist ihm aber zu enthusiasmirt, hat mir im Vertrauen Fürst Woronzof gesagt. Er liebt die plastische Ruhe. Die Prinzeß Marianne bewundert er um ihre Schönheit, sie ist ihm aber wieder zu plastisch und klassisch. Comteß Laura –«
»Um Himmels Willen, das Kataster unserer Schönheiten ein andermal!« unterbrach ihn die Fürstin.
»Aber die Königin bleibt die Centifolie unter den Blumen, die Sonne unter den Sternen. Und welcher getreue Unterthan wagte dem zu widersprechen?«
»Beim Gespräch vor der Kinderscene, ich meine im Kabinet, war kein Minister zugegen? Wo war Beyme? Ward Lombard von ihnen hinausgeschickt?«
»Erlaucht, ich bin ja so unschuldig, wie ein neugeboren Kind, und, hol mich der Geier –
pardon!
– sie sind's alle im Schlosse. Es druckst etwas, und will nicht herausplatzen –«
»Und der Allianztraktat? –« platzte es bei der Fürstin heraus.
»Steht noch nicht auf dem Papier.«
Die Fürstin war nicht mehr Diplomatin, sie ging mit Heftigkeit auf und ab: »Und von der Stunde hängt es ab! – Ist denn solcher – möglich! Jung und –«
»Die Bedächtigkeit ist doch eine schöne Sache,« fiel Bovillard ein.
»Ihr intriguirt doch hinter unserm Rücken,« fuhr die Fürstin auf, »trotz Beyme's Versprechen, das er der Radziwill geben musste, trotz des Gesprächs, was Lombard neulich mit der Prinzessin Marianne hatte. Ihr lasst Haugwitz mit dem Erzherzog Anton verhandeln, damit er von der wichtigern Unterhaltung mit Alexander abgezogen wird. Hardenberg lasst Ihr einer reisenden Schauspielerin mit Extrapost nachfliegen, daß er noch nicht nach Potsdam zurück ist; Prinz Louis zu einer opportunen Zeit dem König in den Weg treten, daß er aufgebracht werden musste. Stein, Gott weiß, wo Ihr den in den Winkel gestellt habt. Kurz, ich durchschaue alle Eure Ränke, und im wichtigsten Moment seines Lebens, wo er Rath haben muß , ist es Euch gelungen, ihn mit Nullen und Pagoden zu umstellen.«
Wie Bovillard jetzt, aufrecht stehend, sie groß ansah, die Hand an der Brust, hätte der gewiegteste Psycholog geschworen, er meine es aufrichtig: »Erlauchte Prinzessin, die Flüsse spielen um den Berg, aber, wenn der Berg den Einfall bekommt einzustürzen, ist ihr Spiel aus. Einem Selbstherrscher aller Reussen gegenüber, der den Einfall bekommt, uns mit seinem höchst eigenen Besuch zu überraschen, hört unser Spiel auf. Der Gewalt weicht die Kunst. Jetzt spielen höhere Mächte und wir fügen uns als Stoiker in das Unabänderliche.«
Es entstand eine Pause. Die Fürstin hatte ihre Promenade noch nicht beendet: »Einer muß doch den Anfang machen!« rief sie halb für sich aus dem Chaos ihrer Gedanken.
»Aber wenn der Eine es nicht
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