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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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geschickt anfängt, schickt er ihn fort« sagte Bovillard. »So ging es Stein. Der Freiherr polterte mit einer Proklamation los, die er in der Tasche trug, am Schweif eine Kriegserklärung. Majestät zogen die Stirn und zuckten mit dem Arm. Stein sagte, was man wolle, müsse man zeigen, und was man zeige, müsse man wollen. Majestät sagten, sie hätten auch noch andre Räthe, auch kluge Leute, auch treue Diener ihres Herrn, die er schon länger kenne als den Herrn von Stein, und die nicht gleich mit dem Kopf durch die Mauer wollten. Zum Glück aplanirte der Kaiser mit einer liebenswürdigen Wendung den Riß.«
    »Und Stein?«
    »Studirt im Lustgarten den Kunststil der Dryaden und Najaden.«
    »Hardenberg wäre besser zum ersten Angriff gewesen. Wer denn nun? Johannes Müller ist doch citirt,« sagte die Fürstin.
    »Steht auch da, Erlaucht, mit der Feder in der Tasche, Dinte hat er auch, aber das Papier will man ihm noch nicht geben. Lombard ist ja auch berufen, hat auch die Feder gespitzt; je nach dem, französisch oder deutsch, hart oder weich.«
    »Aber nachdem Stein abgeblitzt, mussten doch Majestät Ihre Meinung äußern.«
    »Sie haben sie auch geäußert. Das Wort Kriegserklärung so hart noch herausgestoßen, ohne Ueberzuckerung, hatten Majestät dermaßen irritirt, daß Ihro Majestät die Königin dem Kaiser einen Wink gab. Alexander verstand sie auch mit einer admirablen Grazie. Nun ward der Krieg emballirt, in eine traurige Eventualität übersetzt, und unter dieser Umhüllung passirte er wieder in der Konversation. Wenn man nur den rechten Ernst zeige und nur zur rechten Zeit, dann könne man sich der sichern Hoffnung hingeben –«
    »Daß Bonaparte zu Kreuz kriecht! – O charmant!« rief die Fürstin, und dunkle Lichter blitzten auf ihrem Gesicht, die wenig zu der zurechtgelegten Sanftmuth passten. »Darum von Petersburg nach Moskau geflogen, darum eine halbe Welt in Aufruhr, darum diese kostbare Stunden in Potsdam! Um eine Ambassade, um eine neue Konferenz, um Protokolle –«
    »Ohne Ambassade, Erlaucht, geht es nicht ab, mein kleiner Finger sagt es mir.«
    »Die dem Korsen vorstellen soll, wie unbillig er gehandelt, ihm Moral predigen und Unterricht im Völkerrecht geben! Damit er sie, uns, alle, nicht allein verachtet, besiegt, mit Füßen tritt, nein, daß er sie auch verlacht. Und er hat recht.«
    Der Major von Eisenhauch war schon während ihres Gesprächs eingetreten. Er schien über die Gesellschaft, die er hier fand, verwundert. »Nun und Sie, Major?« Er zuckte die Achseln: »Bis zum außerordentlichen Gesandten ist man gekommen. Er soll morgen abreisen.«
    »Mit welchen Bedingungen?«
    »Man spricht davon, der Luneviller Friede soll zum Grunde gelegt werden.«
    »Die kann Bonaparte nicht annehmen,« sagte die Fürstin rasch. »Das wäre also so gut wie Krieg. Aber wer wird zu ihm gesandt?«
    »Haugwitz.«
    In den Gesichtszügen der Anwesenden war Ueberraschung, vielleicht etwas mehr, Entrüstung, Schreck zu lesen. Eine sprachlose Pause. »Ist das auch das Spiel der höheren Mächte?« fragte die Gargazin mit einem bittern Blick auf Bovillard, der verstummte. Der Major antwortete statt seiner: »Seiner Majestät eigener Wille. Niemand hatte natürlich an Haugwitz gedacht. Sie mögen denken, wie es auf Alle gewirkt. Aber des Königs Gerechtigkeitsgefühl spielte mit.«
    »Sagen Sie – ach, mir fehlen auch die Worte dafür. Er schickt den, der unter jeder Bedingung nach dem Frieden greift.«
    »Warum nicht den,« bemerkte Bovillard bescheiden, »der Napoleon persönlich angenehm ist. Zum Vermitteln schickt man doch nicht widerwärtige Geschöpfe.«
    »Um Vergebung,« nahm der Major das Wort, »ich glaube vielmehr, daß das des Monarchen eigenthümlicher Sinn war. Er wollte dem, welchen er durch einen gefassten Beschluß gekränkt, durch sein Vertrauen es vergütigen. Uebrigens ich glaube jetzt auch an Haugwitz. Er geht nicht gern, aber er geht. Der Erzherzog, der Kaiser, von allen Seiten überschüttet man ihn mit schmeichelhafter Aufmerksamkeit. Auch
contre-coeur
ist er verstrickt.«
    »Meine Herren,« erhob sich die Fürstin, »die Personen sind am Ende gleichgültig. Aber wo ist der Wille? Was ist beschlossen? Wann reist Haugwitz? Mit Courierpferden? Wohin? Welchen Termin soll er dem Usurpator setzen? Wenn er nein sagt, wann stoßen unsere Heere zusammen? Wo? Wo ist der Plan? Wo der Traktat? Fehlt es in Potsdam an Papier? Eine Feder kritzelt zu langsam. Mit Blitzen müsste man schreiben.

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