Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Denn der Attila reitet auf Blitzen.« Sie sah sich vergebens nach einem Aufblitzen in den Mienen um. Die Herren zuckten die Achseln. Man blickte ziemlich rathlos zum Fenster hinaus. Auch dort waren nur fragende Gesichter.
»Köckeritz kommt aus dem Schlosse!«
»Rüchel packt ihn. Wie hastig sie sprechen!«
»Rüchel ist außer sich. Er kneift den armen Köckeritz ordentlich in den Arm.«
»O weh, seine Nachrichten müssen schlimm lauten.«
Aber man sprach sich Trost zu. Es sei gut, daß man die Hitzigen aus der nächsten Umgebung zu entfernen gewusst. Die Radziwill und ihr Bruder hätten durch ein Wort alles verderben können. Die Königin operirte verständig und im Einverständniß; mit dem Kaiser. Sie leiteten klugerweise das Gespräch auf gleichgiltige, aber dem König angenehme Dinge, um in der Gunst der Stunde auf die Sache einzulenken. Dann lasse sich oft das Schwierigste in einem Augenblick abthun.
»Und wer kann sich rühmen, daß er der Liebenswürdigkeit eines Alexander auf die Länge widerstanden hat!« bemerkte ein Begleiter der Fürstin mit einem feinen Seitenblick, der trotz der Aufregung verstanden ward.
Es hatte sich noch Jemand in der Gesellschaft eingefunden, entweder jetzt erst, oder er befand sich schon eine Weile unbemerkt im Zimmer, das einer gemeinschaftlichen Schauloge ähnlich schien. Vom letzten Fenster wandte sich der Legationsrath von Wandel zu dem Sprechenden um: »Wir dürften uns die klugen Leiter dieses Tages zum Beispiel nehmen und wie sie die Ungeduldigen, unsere eigene Ungeduld zurechtweisen. Wenn man auch schon einig wäre, würde man einen geheimen Traktat vor aller Augen abschließen? Halb Berlin ist hier versammelt, die Ohren und Augen dringen bis durch die Mauern des Schlosses. Außerdem kennen wir alle die Scheu Seiner Majestät vor der Publicität. Man hat gewiß diesen Tag in Potsdam nicht ohne Absicht gewählt, aber nicht auf diesen Strom von Zuschauern gerechnet. Mich dünkt es ist sehr klug, daß man nun den Tag verstreichen lässt, um den Abend abzuwarten.«
»Wissen Sie etwas?« Die Fürstin trat mit ihm bei Seite.
»Eigentlich nichts. Man unterminirt und weicht aus. Alexander sucht ihm die Eventualität als gar nicht so gefährlich zu schildern. Es werde mit einer Entscheidungsschlacht abgethan sein. Wenn die drei vereinigten Heere zusammen agirten, müsse man den schon Geschwächten zerdrücken, wie er den Mack bei Ulm«
»Und er rechnet aus die Leichen und das Blut!«
»Dann meint Alexander, es werde vielleicht in dem Falle gar nicht zum Blutvergießen kommen; umzingelt, ohne Rettung, ohne Aussicht, werde er sich auf Gnade ergeben.«
»Charmant! Majestät unser gnädigster Kaiser malen ihm auch vielleicht die Seligkeit der Großmuth. Wie sie den Besiegten aufheben, ihn an ihre Brust drücken wollen, wie Karl den Wittekind, ihn ihrer Liebe versichern und ihm ein bescheidenes Kaiserthum zuweisen. Nicht wahr, Majestät Napoleon werde gerührt von so viel Großmuth in Thränen ausbrechen, daß er sich in seinen wahren Freunden getäuscht, mit ihnen in einem heiligen Bunde geloben, fortan nur für das Wohl der Menschheit zu wirken. Und so weiter.«
»Vergessen Erlaucht nicht: der König ist ein gerechter Mann und ein Mann von Takt. Durch Illusionen lässt er sich nicht bestechen.«
»Bestechlich ist Jeder. Man muß nur viel und das Rechte bieten.«
»Ihr Kaiser schien vergessen zu haben, daß der König vor Napoleon Respekt hat. Friedrich Wilhelm erinnerte ihn, daß er ein großer Feldherr sei, dem Gott Siege verliehen, und nur Siege, auch jetzt ein gekrönter Fürst, den er anerkannt, daß er Verträge mit ihm geschlossen, die ihm immer und auch dann noch heilig seien, wenn der Andere sie verletzt –«
»Wirklich! Und –«
»Da schien die Königin der Bock einen Wink gegeben zu haben. Sie trat mit einem der jüngsten Kinder herein.«
»
Et cetera,
« rief die Fürstin ungeduldig. »Und nach dieser Kinderscene, was kam da für eine neue?«
»Nachdem man wieder weich geworden, stellten Ihro Majestät ihrem Gemahl vor, ob nur Bonaparte vor Gott mit Siegen gekrönt, ob nur er Kronen trage, ob man um seiner Feinde willen seine Freunde vergessen dürfe? Ob er einen besseren Freund habe als Alexander? Ob irgend ein anderer Freund so gütig seine herben Launen würde hingenommen haben? Was er sagen würde, wenn der Kaiser aufgebracht, das Zimmer verlassen, sich in den Wagen geworfen und aufgebrochen wäre? Und was die Welt dazu sagen würde, wenn Alexander
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