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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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dem Nachbarn zu; »Sie umarmen sich,« eine Andere. Bald ward die feierliche Stille durch das Knarren der Thür unterbrochen; die Gestalten der Neugierigen drückten sich tiefer in den Schatten der Mauervorsprünge. Der Fackelschein ward jetzt offiziell.
    Die Königin und der Kaiser wurden zuerst sichtbar: der König folgte. Louise schien erschöpft, sie drückte jetzt das Taschentuch ans Gesicht. Aber nur einen Moment; dann warf sie einen forschenden Blick auf den ernsten Gatten. Es musste ein Ernst sein, der ihre Hoffnung stählte. Sie lehnte sich an seine Brust, um sich doch ebenso schnell wieder aufzuraffen. Alexander und der König reichten sich die Hand. Es war ein wichtiger, bedeutungsvoller Handschlag. Aus der dunklen Stille kam ein Laut, wie der Hauch unsichtbarer Geister; ein Hauch der Verwunderung, Freude, Beistimmung, wofür jede Sprache zu rauh ist, ihm Ausdruck zu geben. Mit königlicher Würde schaute Louise umher, nicht forschend, nicht mißbilligend. Ihr Blick galt den Geistern, welche die Sprache dieses Auges, das selige Lächeln verstanden. Dann reichte sie Alexander wieder rasch den Arm und die Drei verließen die Kirche.
    Als die Wagenthür zuschlug, die Räder auf dem Pflaster rollten, schienen die gebannten kleineren Geister aus ihrer Erstarrung aufzuleben. Sporen klirrten, scharfe Tritte dröhnten auf den Fliesen, Töne, wie wenn das Eis bricht; das Blei auf der Brust war ja gebrochen! Kein Ceremoniell mehr, man schloß sich in die Arme, auch Solche, die nicht als Fremde bekannt waren. »Der Bund ist besiegelt.« Viel mehr Worte hörte man nicht. Es war ein Augenblick nicht zum Sprechen, nur zum Fühlen.
    An der Thür wurden zwei Mititärs zusammengedrängt, die sich im Leben nicht gern, wie man sagte, begegneten. Sie sahen sich an, und unter ihren ergrauenden Haaren funkelten die Augen sich entgegen; sie drückten sich die Hand. Worte wechselten auch sie nicht. Der Eine, aus dessen Mantel eine Husarenuniform zum Vorschein kam, hielt aber beim Hinausgehen unsern Bekannten, den Major Eisenhauch, am Kragen zurück.
    »Na un, was sagen Sie, Major?«
    »Blücher und Rüchel Hand in Hand, ein gutes Prognostikon. So das gesammte Vaterland, und wir sind am Ziel.«
    »Larifari!« sagte der General. »Vorwärts, eh er sich anders besinnt, das allein thut's. Nur keine stättigen Pferde hinter uns.«
    »Im Volk –«
    »Sind viele Esel.«
    »Aber das Roß, wenn die Trompete schmettert –«
    »Pfeffer mank die Kerben!« sagte der General ihm ins Ohr. »Daß es sich bäumt, dafür sorgt Ihr: fürs Reiten, dafür sorgen wir, haben Sie mich verstande«?
    Die Kirche war ziemlich geräumt. Nur hinter dem Eingang stand noch eine Gruppe, Zwei in Ueberröcke verhüllt, und am äußersten andern Ende kniete eine weibliche Gestalt. Die Beiden, durch hohe Halsbinden gegen die Kühlung bis zur Unkenntlichkeit maskirt, schienen die Hinausgehenden die Revue passiren zu lassen.
    »Ist das nicht Comteß Laura, Vicomte?« sagte der größere und ältere auf französisch zum jüngern, nach der knieenden Dame lorgnirend, die von ihrer Enveloppe und dem Schleier unförmlich umwallt war. Der Vicomte hatte sich schon auf den Zehen gehoben: »Pardon, Monsieur, Comteß Laura hat noch zu viele Stationen bis zur Betschwester.«
    Die verhüllte Gestalt, aus ihrer Andacht vielleicht durch die Stille aufgeschreckt, erhob sich und rauschte an ihnen mit elastischen Schritten vorüber. Sie hatte die Beiden nicht gesehen, diese aber sie trotz der Schleier.
»Madame la Princesse!«
rief der Attaché verwundert. »Ihre Sünden müssen sie sehr drücken,« sprach der Gesandte, »daß sie es nicht verschmäht hat, in einer lutherischen Kirche zu beten.« »Und ganz allein!« replicirte der Vicomte. »Sie nimmt gern einen Andern mit ins Gebet.« »
Disparaissez!
« rief Laforest und winkte ihm, indem er der Dame nacheilte. Der Vicomte ging lächelnd seiner Wege: »Er will sie nicht allein gehen lassen! Monsieur Laforest, man muß es ihm gestehen, übt die Humanität bis zur Outrage. Die Petarde, die ihn in die Luft sprengen soll, in der Tasche, schützt er die Lunte, die sie entzündet, daß der Wind sie nicht ausbläst.«
    Wirklich sehen wir auf der Straße den offiziellen Minister des Kaisers der Franzosen der nicht offiziellen Agentin des Kaisers aller Reußen den Arm bieten, um sie in ihr Hotel zu geleiten! und sie reicht ihn ihm, nach einem momentanen Zaudern rasch hin. »Stumm wie die Nacht und bewegt wie die schöne Seele einer

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