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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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sein Reich, mein Herr, ist die Schöpfung eines Zauberers. Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend, erscheint Alles, so lange sein Geist darüber waltet. Aber wenn der schlafen geht, vertrocknen die Palmen und Lilien zu Haidekraut und der Palast versinkt in ein Unkenmoor. Da sehen Sie diese Reihe von Statuen. Kunstwerke, so lange er unter ihnen wandelte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was ist aus seiner Gliederung geworden, in Civil und Militär, was aus dem angestaunten Mechanismus seiner Staatsorganisation? Ein schönes Lied auf einen Leierkasten gesetzt, aber die Melodie bleibt dieselbe in Leid und Freud, weil die Hand vermodert ist, die den Mechanismus der Drehorgel umsetzt. So leiert es hier fort, ins andere Jahrhundert die Melodie des vorigen, bis alle Räder und Gänge verrostet und voll Staub sind. Dieser Staat Preußen, mein Herr, ist zum Popanz geworden, nicht weil sein Volk Sklaven sind, sondern weil der Zauberer fehlt, der das Uhrwerk wieder aufzieht. Dieser Staat Preußen ist ein Konglomerat von Kraft und gutem Willen, wie man sie selten in der Geschichte sah, aber eine Gliederpuppe, wenn kein neuer Geist hineinfährt.«
    Der Mann wandte sich mit einem Kopfnicken rasch um. Zwei Schritt weiter blieb er noch ein Mal stehen: »Wie heißen Sie? Ich möchte Ihre Adresse wissen – wenn ich wieder ein Mal einen so gefälligen Führer in Potsdam brauche,« setzte er halb lächelnd hinzu, um das Scharfe auszugleichen.
    Walter hatte keinen Grund seinen Namen zu verschweigen. Er kannte aber genug von der Luft in den hohen Lebensregionen, um zu wissen, daß dieser Name, so laut er ihn aussprach und so deutlich der Andere ihn sich wiederholte, schon am Ende der Straße verhallt war. Jener hatte vielleicht erwartet, daß Walter auch ihn bitten werde, den seinen zu nennen, Walter wollte aber nicht bitten.
     
Fünfundvierzigstes Kapitel.
     
Der dritte November.
    Es war Nacht geworden; die große Mehrzahl der Gäste war längst nach Berlin zurückgekehrt. In den öden, todten Straßen bewegten sich nur einzelne Gestalten; das Ueb' immer Treu und Redlichkeit hallte von der Thurmuhr nach wie vor.
    »Warum stürmt nicht lieber die Brandglocke!« sprach die Dame, welche, tief in eine Pelzenveloppe verhüllt, am Arm ihres Begleiters an den Häuserreihen ging. Sie gingen nicht in der Abendkühle spazieren, es war rauhe Witterung; sie hielten eine bestimmte Richtung, aber den zarten Füßen merkte man an, daß sie nicht gewohnt waren auf rauhem Pflaster sich zu bewegen. Ein dichter Schleier bedeckte das Gesicht der Fürstin.
    »Weil es noch nicht brennt,« sagte ihr Begleiter.
    »Ewiger Zweifler!«
    Sie traten in einen Thorweg, oder eine Kolonnade zurück, um einer einfachen Hofequipage auszuweichen, die jetzt vorüberrollte. Der Wagen hielt vor der Kirche, wo Seine Gebeine ruhen. Drei dunkle Gestalten konnte man aussteigen sehen. Sie traten in die Kirche, aus welcher ein gedämpftes Fackellicht bei Oeffnung der Thüre vorstrahlte.
    Die Fürstin drückte krampfhaft den Arm ihres Begleiters. Er glaubte, sie wolle ihn tiefer in den Schatten zurückziehen, um nicht gesehen zu werden: »Man sieht uns wirklich nicht, und wenn es wäre, würden wir nicht die einzigen Zuschauer sein. Ich sah Schatten in der Kirche sich bewegen.«
    »Ich auch!« rief sie. »Es war mir, als sähe ich Seinen !«
    Der Legationsrath ging nicht auf die Stimmung ein: »Diese Leute hier ruhten unter ihm wie in Abrahams Schooße. Ich finde es eigentlich undankbar und grausam, daß man ihn citirt, um sich aus einer gewöhnlichen Verlegenheit zu helfen.«
    »Ich würde Ihnen verzeihen, wenn Sie sagten selbstmörderisch.«
    »Nur christliche Demuth, Fürstin, sie sehen ihren eigenen Unwerth ein.«
    »Was ist das grausam, den zu beschwören, der in dem Jenseits keine Ruhestätte gefunden hat! – Hören Sie den dumpfen Ton! Jetzt öffnet man.«
    »Und sein Geist steigt ihnen aus der Versenkung entgegen.«
    »Sprechen Sie nicht so.«
    »Ich möchte wohl wissen, wie der Geist eines Atheisten aussieht.«
    »Sahen Sie nie Geister –«
    »Man sieht sie nur, wenn man sie citirt; und was unnöthig ist, muß ein Vernünftiger nie thun.«
    »Geister erscheinen auch ungerufen.«
    »Dann wirft man sie zur Thür hinaus.«
    »Die Todtenhand, die auf eine lebendige Brust hämmert, sollte doch überall Einlaß finden.«
    »Je nachdem die Brust beschaffen ist.«
    »Wandel, ich möchte Sie einem Geist gegenüber sehen.«
    »Sie würden keine Veränderung

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