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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Deutschen,« sagte der Franzose zu seiner schweigenden Begleiterin.
    »Sagen Sie lieber, Haß und Grimm im Herzen und am Arm des verhassten Feindes durchs Leben gehen zu müssen!«
    »O wäre ich so glücklich, eine solche Feindin durchs Leben führen zu können.«
    »Wer denkt an uns!«
    »Ich sehr stark an mich.«
    »Das lügen Sie vor sich selbst. Unsere Aufgabe ist's, uns immer selbst belügen, täuschen, unsere glühendsten Gefühle mit einer Eiskruste umgeben, und wenn wir vor Frost zittern wie der Frühling lächeln, in Flitterstaat glänzen, und vom Gefühle unserer Sünde zerknirscht in Selbstzufriedenheit strahlen! Alles für Andere, uns selbst, unser Glück, unsere Buße und Hoffnung hinopfern für ein anderes Wesen, einen Begriff, von dem man eigentlich nicht weiß, was er ist. Ins Reich der Seligen kommt der Staat doch nicht.«
    »Ich glaube kaum, daß ein Platz für ihn da ist: weder unter den Gerechtfertigten, noch unter den Sündern.«
    »Und doch Diplomat!«
    »Weil er sich selbst ganz verleugnen muß, sollte ja das die himmlischen Thore ihm vor Allen öffnen.«
    »Vielleicht, wenn – Excellenz, hat Sie nie das Gefühl durchzuckt, die Sehnsucht durchschauert, vernichtet zu sein, aufzugehen in ein anderes Wesen, zerstampft in Atome, die das andere Wesen vergrößern und verherrlichen?«
    »O sehr oft, Madame, in den Armen einer liebenswürdigen Frau.«
    »Haben Sie nie die Seligkeit der Begeisterung empfunden?«
    »Wofür?«
    »Wofür? Und Sie kommen aus einer Revolution. Die gluthspritzende Lava treibt doch ungeheure Bilder in unsere Lebensnacht.«
    »Prinzessin, die Lava ist schon kalt geworden.«
    »Sie waren einmal Republikaner!«
    »Was waren wir nicht alles! Und eben weil wir so viel gewesen sind, für so vieles geschwärmt, gerast haben, ist wirklich in uns kein Platz mehr für die Begeisterung.«
    »Auch nicht für Ihren Kaiser?« Laforest ließ eine Pause vergehen, bis er antwortete: »Auch für den nicht. Die Jugend, die Kriegslustigen, wer avanciren will, die meinethalben. Wir Andern – pausiren, wir wissen ja nicht, ob es das Letzte ist. Der einzige Erfahrungssatz den wir nach Hause trugen aus allen Revolutionen, ist der, daß die Dinge ihren Kreislauf machen, und die höchste Weisheit für die Individuen wäre die, auszurechnen, welches Stadium eintreten wird, wenn es mit uns zu Ende geht. Wer sich darauf präparirte, stürbe glücklich.«
    »Um fortgespült zu werden ins Meer der Ewigkeit als letzte Schaumflocke, die die Fluth der Zeit auf ihren Wellen trug.«
    »Wer wird mit mehr Konsistenz hineingespült!«
    »Sie belügen sich wieder selbst. Warum hätten Sie sich in die Kirche gewagt, ausgesetzt der Entdeckung! Wenn einer dieser Franzosenfresser Sie erkannte!«
    »Habe ich etwa spionirt?«
    »Nein, Sie wussten es ohnedem. Aber aus reiner Dienstpflicht hätten Sie das nicht unternommen. Es war die Abenteuerlust, der ein Motiv zu Grunde liegt, das Sie sich selbst zu verbergen suchen. Ein Wagestück für Ihren Kaiser!«
    »Sahen Sie nie am Roulettetisch Männer, die selbst nichts mehr zu setzen haben, mit gespannter Aufmerksamkeit das Spiel verfolgen, das sie nichts angeht? Sie pointiren im Geist, eifrig, zufrieden und entsetzt wie die Andern. Das Spiel ist ihnen zur Natur geworden.«
    »Was sahen Sie in der Gruft?«
    »Was ich erwartete, ein romantisches Schauspiel.«
    »Das zu einem Schluß führt, der Ihnen nicht gefallen darf.«
    »Welchen Schluß meinen Sie, Prinzessin? Ich sah nur einen frappanten Aktschluß. Die Zuschauer thaten mir leid, daß sie nicht klatschen durften.«
    »Der Schluß des nächsten Aktes wird blutig werden.«
    »Vielleicht, vielleicht auch noch nicht. Man muß den nächsten Aktaufzug abwarten.«
    »Ich glaube, Sie werden ihn hier nicht abwarten.«
    »Das thäte mir um der Gesellschaft willen leid, die ich sehr ungern verlasse.«
    »Und was ist der letzte Akt?«
    »Der letzte, Prinzessin, wer sieht so weit!«
    »Aber Sie sehen etwas vor sich. Sie täuschen mich nicht.«
    »Ich sehe allerdings einen folgenden – einen der nicht ausbleiben wird, wenn dieser Ernst wird.«
    »Aber er spielt nicht in der Potsdamer Kirche?«
    »Doch – es wird auch Nacht sein, – bei Fackelschein seh' ich meinen Kaiser in die geöffnete Gruft steigen; hinter ihm seine Generalität. Man wird Friedrichs Sarg öffnen, und Napoleon die Hand des Gerippes ergreifen.«
    »Abscheuliche Phantasie!«
    »Natürlich nichts als Phantasie! Und er wird sprechen: Großer Geist, vor mir sollst

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