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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Korallenaugen! Wandel, ich versichere Sie, wenn ich ihrem Blick begegne, ist mir's, als wenn ein gläsern Dolch mir ins Herz bohrt.«
    »Leiden Sie oft an solchen Visionen?«
    »Begreif' es Einer, warum ich an einen Kirchhof denken musste. Und sie wie das weiße Bild des Todes. Wen sie ansieht und küsst, der müsste sterben.«
    »Ihre Lektüre echauffirt Sie, theuerster Freund. Dieses junge Genie, der Chateaubriand, reizt die Phantasie auf. Unwillkürlich beschwört er Geister, die für unsere Atmosphäre nicht passen. Ich möchte Ihnen dagegen als kalmirende Lektüre ein treffliches Buch empfehlen, welches eben erschienen ist, – Wagners Gespenster. Lesen Sie darin vorm Einschlafen einige Geschichten, Sie werden davon eine vortreffliche Wirkung empfinden. Es konnte kein besseres Gegengift gegen die romantischen Schwärmereien gerade jetzt auftreten, wo selbst bei den Franzosen –«
    Er konnte nicht ausreden. Der Geheimrath war über die hintern Stühle geklettert und zur Loge hinaus. Wandel, der rasch gefolgt, ließ ihm in der Konditorei ein Glas Zuckerwasser bereiten, in das er Hoffmannstropfen goß.
    »Nichts als ein Schwindel, theuerster Geheimrath, begreiflich, wenn Sie an die Eventualitäten des Krieges dachten. Da sieht man wohl Leichen und Kirchhöfe. Wie Mancher dieser exaltirten Militärs wird kalt und stumm auf dem Schlachtfelde liegen, wenn ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Auch vielleicht um Ihren Sohn waren Sie besorgt. Das kombinirt sich Alles so natürlich bei einer nervösen Komplexion. Wenn Sie sich erholt, lassen Sie uns zurückkehren.«
    »Das Mädchen ist hübsch, aber die Augen, wie gläsern. Wenn das Wachsbild nun unter ihren Augen schmilzt!«
    »Des wäre unnütz!«
    »Was reden Sie?«
    »Ich weiß es selbst nicht, wahrhaftig, Bovillard. Ihr Unfall hat mich konsternirt. Es ist nicht Besorgniß um Sie – aber Sie sollten Hufeland befragen, wenn diese Anfälle sich wiederholen. Indeß – erlauben Sie mir Ihren Puls. – Da intonirt das Orchester schon das Reiterlied. Ja, ja, Sie leiden an den Nerven. Sie glauben nicht, was die Beschäftigung des Geistes da hilft. Man muß sich zuweilen peinigen und sich in Zerstreuungen stürzen. Sie arbeiten zu viel, Sie lebten auch vielleicht in letzter Zeit zu solide. Ueberwinden Sie sich, und kehren zurück. Täuschte ich mich, im Mantel dort, das war Laforest. Er ist es.«
    »Ein interessantes Stück, der Puls!« sagte der Gesandte im Vorübergehen. »Nicht wahr, meine Herren? – Wenn doch die Staatskunst auch solche Aerzte zur Hand hätte, die am Pulsschlag ihrer Kranken die geheimen Intentionen der Völker erkennten!«
    »Welchen Auslegungen Sie sich aussetzen, wenn Sie fortgehen, wo ein Laforest zu bleiben wagt,« sprach Wandel dringend zu Bovillard. »Bedenken Sie die Stimmung im Publikum, theuerster Freund! Lombard selbst hat einen Beitrag für die Militärmusik geschickt.«
    Der Geheimrath Bovillard wollte bleiben, dies deutete wenigstens der stumme Händedruck an, als er aufstand: »Wenn nur das Weib fortginge!«
    Aber als er die Thür des Konditorsaales öffnet, kam ihm gerade dieses Weib, welches er vermeiden wollte, entgegen. Die Lupinus führte ihre Pflegetochter am Arm. Ein scharfer Kennerblick musste unter der Röthe von Adelheids Wangen die tiefe Blässe entdecken. Sie wankte am Arm ihrer Führerin, deren Anstrengungen, es zu verbergen, vergebens waren.
    Als Bovillard zurückprallte, kaum von den Eintretenden gesehen, eilte eine neue Zeugin herbei: »Mein Gott, was ist ihr!« rief die Fürstin Gargazin.
    »Nichts als übergroße Hitze!« »Ein Glas Limonade, Herr Reibedanz! Das wird dem Uebel abhelfen.«
    »Sie ist krank, das sind konvulsivische Bewegungen!« rief die Fürstin.
    »Adelheid wird Ihnen das Gegentheil betheuern, wenn sie sich erfrischt hat,« sagte die Geheimräthin, indem sie mit einiger Heftigkeit das Glas dem jungen Mädchen an die Lippen hielt.
    Adelheid nippte, aber das Glas fiel auf die Erde, sie selbst knickte zusammen und wäre selbst gefallen, wenn die Fürstin sie nicht aufgefangen, und mit dem hinzuspringenden Bovillard auf ein Kanapée gebracht hätte. Die Lupinus hatte sich diesen Augenblick entgehen lassen, in dem sie mit dem Legationsrath ein rasches Gespräch in stummen Blicken gewechselt. Wandels ernster Blick schien tief eindringend, die Geheimräthin hielt ihn nicht aus, und als sie ihn gesenkt, hörte sie die Worte ins Ohr geflüstert: »Was soll diese Komödie! Ich hoffe hier ist nichts vorgefallen,

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